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Drei Meter bis zum Crash

Störfall im AKW Brunsbüttel erweist sich als schwerwiegender als zunächst angenommen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin hält Kraftwerksbetreiber HEW für nicht zuverlässig

von NICK REIMER

Im Atomkraftwerk Brunsbüttel ist eine Rohrleitung innerhalb des Sicherheitsbehälters gerissen. Das erklärte das schleswig-holsteinische Energieministerium am 18. Februar. Seit gestern ist klar, dass der Störfall deutlich gravierender war als zunächst angenommen. „Wäre die Explosion etwa drei bis vier Meter weiter in Richtung Reaktordruckbehälter aufgetreten, so wäre die druckführende Umschließung partiell zerstört worden“, heißt es in der Drucksache 14/700, die gestern vom Bundestagsumweltausschuss behandelt wurde und der Umweltschutzorganisation Greenpeace vorlag. Übersetzt heißt das: Ein Leck im sensibelsten Teil des Reaktors ist nur knapp vermieden worden.

Bereits am 14. Dezember hatte es im Brunsbütteler Siedewasserreaktor geknallt. In der Sicherheitswarte des AKWs hatten die Kontrollsysteme einen Druckanstieg im Sicherheitsbehälter signalisiert. Die damalige Schicht, so das Bundesumweltministerium, habe dies als „Leckage an einer Flanschverbindung interpretiert, die in einem für die Sicherheit der Anlage unbedeutenden Systembereich“ aufgetreten sei. Tatsächlich aber – dies ergab die Auswertung der Inspektion vom 18. Februar – war es zu einer Knallgasexplosion gekommen, die eine zehn Zentimeter dicke Rohrleitung des Deckelsprühsystems über eine Länge von zwei bis drei Metern zerschlug. Die Kontrolleure fanden 25 Trümmerstücke im Umfeld des zur Reaktorkühlung gehörigen Systems.

Erst drei Tage nach dem Störfall sah sich der Betreiber – die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) – genötigt, das schleswig-holsteinische Energieministerium als Aufsichtsbehörde zu informieren. Zu einer Revision aber war die HEW nicht bereit. So musste das Ministerium Anfang Februar erst mit Stilllegung der Anlage drohen, bevor die HEW einlenkte und den Vorfall untersuchen ließ.

Das Bundesumweltministerium meldete deshalb gestern im Umweltausschuss „Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betreibers“ an. Diese stünden einer „eventuellen Inbetriebnahme“ des AKWs Brunsbüttel entgegen. Trotz vorliegender Meldung in der Schaltwarte hätte der Betreber nämlich „nur die harmloseste Variante unterstellt“, schreibt das BMU. Zudem werfe die Explosion „sehr komplexe Sicherheitsfragen auf, die zum Teil in dieser Form neu sind“. Die Bundesaufsicht will daher prüfen lassen, ob ähnliche Schadensfälle auch in den anderen Siedewasserreaktoren (Grundremmingen 1 und 2, Krümmel, Isar 1 und Philippsburg 1) möglich sind.

Renate Backhaus, Atomexpertin im BUND-Vorstand, forderte gestern als Konsequenz, die vier Siedewasserreaktoren der Baureihe 1969 sofort vom Netz zu nehmen. „Solange ähnliche Schwachstellen im Reaktordruckbehälter-Sprühsystem der anderen AKWs nicht ausgeschlossen sind, müssen sie abgeschaltet bleiben“, erklärte sie.

Für Greenpeace-Experte Mathias Edler ist der Bericht des Umweltministeriums Beleg, „dass wir nur knapp an einem schweren Unfall vorbeigeschlittert sind“. Edler fordert daher die endgültige Stilllegung von Brunsbüttel. Backhaus begründet dieselbe Forderung so: „Wenn sich herausstellt, dass wegen der im Bundesrat anstehenden Verabschiedung der Atomgesetznovelle ein gravierender Störfall vertuscht wurde, ist die Unzuverlässigkeit des Betreibers erwiesen.“ www.anti-atom.de/brunsbu.htm

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