: Ausbildung in Sachen Demokratie
Auszubildende in außerbetrieblichen Einrichtungen sollen künftig ähnliche Rechte bei der Mitbestimmung haben wie Kollegen in Betrieben. Morgen will Rot-Grün das Berufsbildungsgesetz deshalb novellieren. Trotzdem bleibt ein Zweiklassensystem
aus Berlin BEATE WILLMS
In westdeutschen Berufsschulen gelten sie oft als „die Doofen“, deren Bewerbungen keinen Personalchef überzeugen konnten. Im Osten haben Auszubildende in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten einen anderen Ruf – schließlich bekommt hier nur jeder dritte Suchende einen Platz in einem Betrieb. Trotzdem sind die Außerbetrieblichen auch hier „die Doofen – nämlich Auszubildende zweiter Klasse: ohne Chance auf Übernahme, arbeitsamtsfinanziert, meist unter schlechteren Bedingungen arbeitend und schlechter ausgebildet – auch in Fragen der Demokratie. Zumindest letzteres soll jetzt anders werden. Morgen werden SPD und Grüne einen Gesetzentwurf zur „Einrichtung von Interessenvertretungen in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten“ in den Bundestag einbringen. Es soll den Auszubildenden Beteiligungsmöglichkeiten ähnlich der betrieblichen Mitbestimmung verschaffen. Das hatte das Parlament bei der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes verlangt.
Morgen geht es um eine Novelle des Berufsbildungsgesetzes. Darin heißt es: „Auszubildende in einer sonstigen Berufsbildungseinrichtung mit mindestens fünf Auszubildenden wählen eine besondere Interessenvertretung.“ Eine Rechtsverordnung des Bundesbildungsministeriums (BMBF), dem der Bundesrat zustimmen muss, regelt dann Zusammensetzung, Wahl und Beteiligungsrechte.
Nach einem der taz vorliegenden Entwurf vom 21.2. sollen die gewählten Vertreter Maßnahmen zur Berufsausbildung, zur geschlechtlichen Gleichstellung und zur Integration ausländischer Auszubildender beantragen können. Mitwirkung ist bei „Fragebögen und Beurteilungsgrundsätzen“, Unfallverhütungsvorschriften und der Gestaltung von Ausbildungsplätzen und Arbeitsablauf sowie bei „sozialen Aktivitäten“ vorgesehen, Mitbestimmung bei „allgemeinen Urlaubsgrundsätzen, Urlaubsplänen“ und Verpflegung. Gewerkschaften muss der Zugang zur Ausbildungsstätte möglich sein.
„Das entspricht in etwa den Möglichkeiten einer Jugend- und Auszubildendenvertretung in Betrieben“, bestätigte DGB-Bundesvorstandsmitglied Ingrid Sehrbruck der taz. Ausnahme: Die Mitbestimmung gilt nur eingeschränkt: Zwar sieht der Entwurf für Streitfälle wie in Betrieben eine unparteiische Vermittlungsstelle vor. Das so genannte Letztentscheidungsrecht sollen aber die Vertreter der Berufsbildungsstätte haben – auch wenn sie schriftlich begründen müssen, warum sie einen Kompromiss ablehnen.
Mit diesem Punkt hadert Sehrbruck. „Uns wäre lieber gewesen, wenn der Arbeitnehmerbegriff in der Betriebsverfassung auf außerbetriebliche Auszubildende ausgeweitet worden wäre, dann gäbe es diese Unterschiede nicht.“ Wichtiger sei jetzt jedoch, den BMBF-Entwurf nicht weiter einzuschränken.
Die Verordnung soll bis Ende April im Bundesrat beschlossen werden und zum 1. Juli in Kraft treten. Damit könnten im Herbst erste Wahlen statt finden.
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