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Auswärtsqual und leere Kriegskassen

■ St. Pauli-Fan und „PRO 15:30“-Sprecher Ben Buck über Protest, Fankultur und Kommerz

taz: Welche Erfolge kann „PRO 15:30“ verbuchen?

Ben Buck: Die Rückrunde 2002 wurde durchterminiert, was wir Ende voriger Saison gefordert hatten. Ein weiteres Gespräch mit Vertretern der Deutschen Fußball Liga (DFL) führte leider nicht zu der von uns gewünschten 300-Kilometer-Begrenzung für Sonntagsspiele.

Kommt es deshalb an diesem Wochenende zu eurem bundesweiten Aktionstag?

Es soll ein Signal sein, dass die Fans unzufrieden sind mit der Terminwillkür – und ganz neu: mit der Behandlung von Fans der gegnerischen Mannschaft. Sie werden oft als Risikogruppe eingestuft und entsprechend behandelt.

Wie es die Pauli-Fans in Schalke erlebt haben?

Die Polizei hat uns am Bahnhof abgefangen, in Bussen eineinhalb Stunden durch die Gegend kutschiert und erst fünf Minuten vor Anpfiff ins Stadion reingelassen. Nach dem Schlusspfiff ging es genauso zurück zu den Sonderzügen. So sind Auswärtsspiele eine Qual.

Welche Aktionen plant ihr in Dortmund?

Unsere Kriegskasse ist leer, aber vielleicht klappt es mit der Kopie von Faltblättern, auf denen „PRO15:30“ draufsteht. Transparente, Banner und Tapeten werden ja beschlagnahmt. In modernen Arenen sind eher passive Konsumenten als aktive Fans erwünscht. Letztere werden zunehmend vergrault und bleiben weg. Irgendwann geht die eigenständige und lebendige Fankultur kaputt. St. Pauli ist eine löbliche Ausnahme.

Die kürzlich auch unter der Vereinsägide auf dem Kiez eröffnete Kneipe „Herzblut“ verdeutlicht aber die zunehmende Kommerzialisierung des Clubs.

Damit soll das Publikum auf der Reeperbahn abgegriffen werden. Bestimmt dieses Klientel irgendwann die Vereinskultur, dann ist beim Vermarktungsspagat zwischen Kult und Kommerz gründlich was daneben gegangen.

Termine, Auswärtsspiele, Fankultur – „PRO 15:30“ kämpft an vielen Fronten: Keine Angst, dass ihr euch verzettelt?

Die Gefahr war und ist da. Wir diskutierten sogar eine Umbenennung in „pro Fan“, haben jetzt aber „Kein Kick ohne Fans“ (KKOF) angefügt, weil es uns um den Spieltag geht und weil Zehntausende entrechtet werden. Die lebendige Fankultur muss bewahrt werden als Kontrast zum rein konsumierenden Zuschauer. Selbst der Plastik-Club Bayer Leverkusen merkt, wie wichtig Fankultur ist und subventioniert dies.

Und höhlt damit eure Initiative aus.

Möglich, dass Protestpotenzial wegbricht, vor allem bei weiteren Konzessionen des DFL. Aber „PRO 15:30“ steht auf gewachsenen Strukturen. Zum Beispiel leiten jetzt ganz andere Leute unsere Initiative als noch letzte Saison – und trotzdem läuft es.

Beim Kirch-Konzern, der viel Geld in die Clubs gepumpt und deshalb viel Einfluss hat, läuft es derzeit überhaupt nicht. Ist das die Chance, weitere Forderungen durchzusetzen?

Kirch will mit der DFL nachverhandeln, um an die Vereine weniger Geld zu bezahlen. Kommen die Clubs ihm entgegen, dann muss Kirch uns entgegenkommen. Heißt: keine Sonntagsspiele mehr, keine Kicks am Montag.

Fragen: Marcus Vogt

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