piwik no script img

Die heimliche Eifersucht des Computers

■ Das Hamburger Ensemble Wurzel aus U und E zeigt das Zwei-Personen-Stück „Rote Finsternis“ nach der Kurzgeschichte „Der Hammer“ von Stanislaw Lem

Der Bordcomputer ist des Raumfahrers Lieblingsfeind. Besonders wenn er als Lonesome Cowboy im All unterwegs ist und sonst niemanden zum Plaudern hat. Berühmtestes Beispiel: 2001 – Odyssee im Weltraum. Aus dem Film von Stanley Kubrick stammt auch die Forderung, dass alle Respekt verdienen – egal, ob sie aus Kohlenstoffen oder Silizium aufgebaut sind. Das ist sicher im Sinne von Stanislaw Lem, dem polnischen Kultautor für futuristische Gedankenspiele. Mit Romanen wie Solaris oder Der futorologische Kongress hat er Science-Fiction im bes-ten Sinne geschrieben, indem er technische Entwicklungen hellsichtig weiterdachte.

1969 erschien Lems Erzählung Der Hammer, die Peter Per vom Ensemble Wurzel aus U und E jetzt inszeniert hat. Es ist die Geschichte eines Raumfahrers, der als alleiniger Passagier im Weltall unterwegs ist. Dabei ist er eigentlich überflüssig, denn sein Raumschiff ist vollautomatisch. Warum er dennoch mitgeschickt wurde, wird nicht geklärt. Aber schnell ist klar, dass „der Mensch“, wie er im Text lapidar heißt, im Zentrum des Experiments steht. Lem zeigt anhand dieser Figur die Bedingungen der menschlichen Existenz auf: In steter Einsamkeit ist „der Mensch“ seinem nicht enden wollenden Bewusstseinsstrom ausgeliefert.

Sein Gegenüber ist der virtuelle „Reisegefährte“, mit dem sich ein philosophischer Wortwechsel entspannt. Kann der Computer Gefühle empfinden? Der Rechner erzählt von der Semantikerin, die ihn programmiert hat. Die Wortbedeutungen, mit denen man seinen Speicher gefüttert hat, entstammen dem Bereich der menschlichen Sinneswahrnehmungen. Da war es folgerichtig, dass er am Ende Gefallen an der Frau fand: Gefühle als tautologischer Prozess. Die Parallelen zwischen Mensch und Maschine enden in einem Machtkampf. Die Beziehung zwischen den beiden führt zu allzu menschlichen Problemen. Die eifersüchtige Frage des Computers lautet: „Langweilst du dich mit mir?“

Solch eine Geschichte in Bilder umzuwandeln, fällt dem Medium Film sicher leichter als dem Theater. So schwebt Mirko Girmann als Raumfahrer auf der Bühne der Kulturkirche Bugenhagen ein bisschen im luftleeren Raum. Sein Spielpartner ist ein statischer Kasten, der Computer (Bernd Kensicki) spricht mit blecherner Stimme, in der dann und wann menschliche Emotionen die Oberhand bekommen.

Doch dieses Konzept trägt nur kurz. Allein auf der Bühne, bleibt Girmann (wie dem Raumfahrer) nichts anderes übrig, als ein Repertoire von Tätigkeiten abzuspulen. Schön ist dabei das Bühnenbild aus leuchtenden Schirmen von Leslie Wegers. Genau wie das Spiel wirken sie aber eher verloren im großen Theatersaal der Kulturkirche. Aber vielleicht ist das berühmte die Leere des Weltalls.

Christian Rubinstein

weitere Vorstellungen: 8. + 9.3., jeweils 21 Uhr, Kulturkirche Bugenhagen, Biedermannplatz 19

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen