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Die i-Dötzchen aus Brandenburg

Der ORB macht Schule: Mit der Electronic Media School gibt zum ersten Mal ein öffentlich-rechtlicher Sender seine Ausbildung nach außen, verbündet sich sogar mit den Privaten und wirft die Ausbildungstradition der ARD über den Haufen

von MARKUS MÜNCH

Die gute alte Schule hat beim Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) ausgedient – zumindest, was die traditionelle Rundfunkausbildung angeht. Rein optisch erinnert die neue Journalistenschule mit dem modernen Namen Electronic Media School, kurz: ems, schon ein bisschen an ein altes Schulgebäude. Sie ist in einer rustikalen Villa am Rande des Babelsberger ORB-Geländes untergebracht. Doch anstatt schreiender i-Dötzchen werden hier am 2. April zum ersten Mal zwölf Journalisten zu anderthalb Jahren Schulausbildung zum Radio-, Fernseh- und Onlineredakteur antreten.

Die Ausbildung erfolgt in einem ständigen Theorie-Praxis-Wechsel – Letztere in Form von mehrwöchigen Praktika in verschiedenen Redaktionen. Der ORB nennt das weiterhin Volontariat, obwohl die Ausbildung nicht mehr im Sender erfolgt. Die ems wurde zu gleichen Teilen von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) und dem ORB gegründet – mit knapp drei Millionen Euro Startkapital. Neue Gesellschafter, die bald gewonnen werden sollen, haben keinen Einfluss auf den Lehrplan, darüber wacht ein Kuratorium von ORB- und MABB-Experten.

Dass der ORB mit seiner modernen Vorzeigeschule mal eben die gesamte Ausbildungstradition der ARD über den Haufen geworfen hat, wird nicht bei allen Öffentlich-Rechtlichen mit Begeisterung aufgenommen. Dabei ist nicht der Inhalt strittig – der ähnelt zum Beispiel den Volontariatslehrplänen beim WDR –, sondern das Outsourcing.

Während sich der Sender Freies Berlin (SFB) als avisierter Fusionspartner nur zurückhaltend äußert und die Innovation „wohlwollend betrachtet“ – so SFB-Sprecher Peter Kröger –, herrscht in einigen ARD-Häusern Skepsis über die Abgabe der Ausbildungskompetenz. Die Journalistenschüler seien nicht mehr mit der öffentlich-rechtlichen Senderphilosophie vertraut, heißt es. Außerdem wird befürchtet, dass die quotenorientierten Maßstäbe der privaten Sender zu Lasten der Qualität gingen.

Die für die privaten Sender zuständige MABB bestreitet das, der zuständige Referent Sascha Bakarinow erklärt, dass es gerade auch von den Privaten eine verstärkte Nachfrage nach gut ausgebildeten Journalisten gebe. Allerdings stellen die nicht den Anspruch, dass ausgebildete Journalisten ein abgeschlossenes Studium haben müssen. Das ist bei den ARD-Volontären noch Voraussetzung, bei Journalistenschulen kein Muss. „Wir wollen auch Quereinsteigern eine Chance geben“, sagt ems-Chef Silvio Dahl. Die ems wolle für ein besseres Angebot an freien Mitarbeitern sorgen, und die sollen auch zu einem früheren Zeitpunkt fertig ausgebildet sein. „Denn was nützt einem Jugendsender ein studierter ausgebildeter Journalist, wenn er für die Zielgruppe zu alt ist?“, fragt Dahl. Wenn alles nach Plan läuft, soll die Zahl der ems-Schüler nächstes Jahr 18 erreichen. Wie die Schule nach der ORB-SFB-Fusion dasteht, wissen beide Sender noch nicht genau, ihre Finanzierung durch ORB und MABB ist zunächst bis 2005 gesichert. Der ORB ist mit diesem Modell zwar unter den Öffentlich-Rechtlichen ein Pionier, bei den privaten TV-Sendern hat aber RTL bereits im vergangenen Jahr mit einer ausgelagerten Ausbildung begonnen. Das erste Schuljahr der RTL-Journalistenschule im Kölner Medienpark ist gerade zu Ende gegangen, und RTL-Anchorman und Leiter der Journalistenschule Peter Kloeppel wirbt um Bewerber für die nächste Runde. Die Redaktionen, bei denen die RTL-Schüler während der Ausbildung Praxis trainieren, seien mit den systematisch geschulten Journalisten zufriedener, sagt Ausbildungsleiter Leonhard Ottinger. Der studierte Medienpädagoge sieht sogar einen Trend zu einer verschulteren Journalistenausbildung.

Während bei den elektronischen Medien Radio und Fernsehen meist schon aufgrund der hohen Komplexität ein Ausbildungssystem zugrunde liegt, fehlt das bei Printvolontariaten oft. Legt der Verlag keinen großen Wert auf Ausbildung, wird ein Volontär auch schon mal „durchgeschleift“ – learning by doing heißt dann das Konzept. Dagegen setzen renommierte Journalistenschulen wie die Deutsche Journalistenschule (DJS) in München oder die Hamburger Henri-Nannen-Schule (HNS) auf eine systematische Grundausbildung und legen viel Wert auf das Handwerk Schreiben. Sie bilden auch im Rundfunkbereich aus und können so einige prominente Absolventen wie Sandra Maischberger, Günther Jauch oder eben Peter Kloeppel vorweisen. Zudem bewahrt sich die DJS ebenso wie die Berliner Journalisten-Schule ihre Unabhängigkeit – an keinen Verlag gebunden, können sie ihren Schülern aber auch kein Ausbildungsentgeld zahlen. Das gibt’s nur bei der ems, der RTL-Schule und bei Gruner+Jahrs HNS.

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