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Kaufring droht Sog auszulösen

Die auf das Insolvenzverfahren wartende Handelskette entlässt die ersten 300 Mitarbeiter. Damit scheint nicht nur das Ende der Konzernzentrale besiegelt. Auch ein Teil der 1.500 Mitgliedsbetriebe gerät in Not. Branche befürchtet 200 weitere Pleiten

von FRANK ÜBERALL

Im Wirtschaftskrimi um die Pleite der Handelskette Kaufring AG ist das letzte Kapitel aufgeschlagen: Gestern bestätigte Unternehmenssprecher Gerrit Veldhoen, dass die Hälfte der rund 600 Mitarbeiter in der Düsseldorfer Konzernzentrale gerade dabei war, ihren letzten Arbeitstag zu absolvieren. Heute erreicht man Veldhoen nicht mehr. Auch er ist arbeitslos. Die restlichen Mitarbeiter sollen das Geschäft abwickeln. „In ein paar Monaten ist hier niemand mehr“, sagt Veldhoen.

Die Kaufhauslandschaft in der Republik wird durch den Untergang des Kaufrings kräftig durchgeschüttelt. Viele der rund 1.500 Läden, die ihre gesamte oder zumindest den Großteil ihrer Ware über die Düsseldorfer Aktiengesellschaft bezogen haben, drohen in den Sog zu geraten. Die Branche befürchtet rund 200 Anschlusskonkurse in den nächsten Monaten.Tausende Jobs stehen auf dem Spiel.

Die Kaufring AG war vor über 75 Jahren als Einkaufsgenossenschaft gestartet. Ende der 90er- Jahre strauchelte der Konzern zum ersten Mal. Als Grund wurde die Flaute im Einzelhandel angegeben. Mit höheren Krediten und einer neuen Strategie sollte das Unternehmen zuletzt 1999 gerettet werden. Die Mitarbeiterzahl wurde drastisch reduziert, der Kaufring wollte ein „schlanker Dienstleister“ werden. Ohne nachhaltigen Erfolg.

Der Showdown kam dann im vergangenen Jahr, kurz vor Weihnachten. Ein Kaufring-Geschäftsmann wundert sich, dass die Ebbe in der Kasse ausgerechnet in einer Zeit kam, in der traditionell gute Einnahmen gemacht wurden und zumindest eine vorläufige Liquidität vorhanden ist. Der Verkauf eines Filetgrundstücks am Düsseldorfer Flughafen sollte schnell Geld bringen und die drohende Zahlungsunfähigkeit abwenden. Der Deal platzte in letzter Minute. Der einstige Megahändler konnte keine Rechnungen mehr bezahlen. Für das Jahr 2001 wurden die operativen Verluste auf fast 17,5 Millionen Euro geschätzt. Es folgte das Unvermeidliche: Konkursantrag, Insolvenzverwalter. In diesen Tagen soll das Verfahren eröffnet werden.

Ganz so überraschend, wie von den Verantwortlichen dargestellt, scheint die Pleite nicht gekommen zu sein. Rechnungen von Lieferanten sind offenbar schon monatelang nicht beglichen worden. Jetzt ärgern sich die Mitgliedsbetriebe mit den Händlern herum. Etwa 50 von ihnen haben eine Hamburger Anwaltskanzlei eingeschaltet. Obwohl die Kaufhäuser die Rechnungen des Kaufrings bezahlt hatten, sahen die Hersteller davon keinen Pfennig. Das Geld versandete im Pleitestrudel der Konzernzentrale. Es geht um etliche Millionen Euro.

Von ersten Ankündigungen, Teile des Unternehmens erhalten zu wollen, distanziert sich der Konkursmanager mittlerweile sogar ganz offiziell. In einem Rundschreiben an die Kaufhäuser spricht er von „erheblichen Kundenabwanderungen“. Die gemeinschaftliche Warenquelle der Kaufring-Mitglieder versiegt ohnehin zusehends. Sprecher Veldhoen räumt ein, dass das Zentrallager Ende März geschlossen wird. Zur Zeit lagern dort nur noch ein paar Haushaltwaren. Das Rechenzentrum, über das die Mitglieder ihre Buchhaltung machen konnten, ist bereits abgestoßen.

Für die Kaufring-Mitglieder in der ganzen Republik, die zum Teil unter anderen Namen firmieren, ist die Pleite der Konzernmutter eine Katastrophe. Einzelne Filialen beginnen schon mit dem Räumungsverkauf. Andere wollen kämpfen. Leicht wird das nicht, denn Banken wie Lieferanten treten Kaufring-Mitgliedern misstrauisch gegenüber. Auch sie befürchten, mit in den Strudel zu geraten.

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