: Spätes Ende einer Lebenslüge
Das Gesetz erklärt Deutschland offiziell zum Einwanderungsland – und es bringt neue Restriktionen
Das rot-grüne Zuwanderungsgesetz will, was viele von FDP bis PDS jahrelang forderten, was unter Helmut Kohl aber immer wieder scheiterte: Es beendet die bundesdeutsche Lebenslüge, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei. Sein Ziel ist „die Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern“. In vielen restriktiven Forderungen ist Rot-Grün der Union entgegengekommen. Organisation wie „Pro Asyl“ halten das Gesetz daher für eine „Reformruine“, die vor allem eine „Neuauflage altmodischen Fremdenabwehrrechts“ sei. Im konkreten Detail ist das Gesetz in der Tat zwiespältig.
Was besser wird:
Auf der Habenseite steht, auch von „Pro Asyl“ als Fortschritt anerkannt, dass die Situation für Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung verbessert wird. Das betrifft etwa afghanische Frauen. Sie wurden in der Praxis zwar auch bisher nicht abgeschoben, doch das Gesetz verbessert ihren rechtlichen Status: Statt einer Duldung können sie künftig eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommen.
Zudem können die Ausländerbehörden nun per Härtefallregelung Abschiebung aussetzen. Bisher dürfen die Behörden Abschiebungen nicht stoppen – selbst bei schwerer Erkrankung der Betroffenen nicht.
Profitieren dürften von der neuen Regelung auch hochqualifizierte Arbeitsmigranten wie Informatiker. Schröders Green-Card-Verordnung erlaubt nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Doch es ist gerade für gut ausgebildete Einwanderer keine attraktive Aussicht, das Land nach fünf Jahren zwangsweise wieder verlassen zu müssen. Diese Beschränkung soll nun fallen, Hochqualifizierte dürfen auch ihre Kinder bis 18 Jahre nachholen. Für normale Arbeitsmigranten ändert sich wenig. Im Gesetzentwurf ist ausdrücklich festgelegt, dass Arbeitsmigranten nur kommen dürfen, wenn sich republikweit kein deutscher Bewerber findet.
Was schlechter wird:
Im Zentrum der Kritik stehen die verschärften Bedingungen für den Kindernachzug. Bisher können Migranten ihre Kinder bis zum Alter von 16 Jahren nach Deutschland holen – künftig soll dies nur bei Kindern bis zu 12 Jahren möglich sein. Der Kinderschutzbund hält dies für völkerrechtswidrig. Deutschland habe die UN-Konvention zu Kinderrechten ratifiziert, in der eine Grenze von 18 Jahren fixiert ist. Die Herabsetzung auf 12 Jahre war ein wesentliches Zugeständnis von Rot-Grün an die Union.
Die 250.000 geduldeten Asylbewerber und Flüchtlinge sollen einen neuen Status erhalten. Nach Ansicht von „Pro Asyl“ liegt er „unterhalb der jetzigen Regelung“. Das heißt: Auch weiterhin haben geduldete Asylbewerber keine Chance, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten und damit ihren Rechtsstatus zu verbessern. Zudem sollen Ausreisezentren geschaffen werden. Wer abgeschoben werden soll, kann dort zwangseingewiesen werden.
Komplizierter wird es auch für anerkannte Asylbewerber. Bisher können sie mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis rechnen. Die soll abgeschafft werden. TAZ
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