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Gefeiert wie Popstars

25 Stunden fürs Guinnessbuch: Eine Schulklasse hat über einen Tag lang Dauerunterricht ausgehalten  ■ Von Ariane Dandorfer

Der Jubel am Ende dieser Schulstunde ist riesig. Verständlich, denn die SchülerInnen der 9b des Wandsbeker Charlotte-Paulsen-Gymnasiums haben 25 Stunden Dauerunterricht hinter sich. Damit haben sie den Rekord einer ungarischen Schulklasse gebrochen, die immerhin 24 Stunden in ihrem Klassenzimmer ausharrte.

Darauf, dass seine Klasse jetzt einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde bekommt, ist Marc Meumann (16) besonders stolz. Die Idee, sich den Marathonunterricht anzutun, stammte von den Schülerinnen selber. „Wir haben anfangs nur aus Spaß gesagt, wir könnten den Weltrekord doch übertrumpfen,“ erzählt Alisha Dabelstein. Dann fragten sie sich, warum eigentlich nicht.

Der Geschichts- und Gemeinschaftskundelehrer Jochen Bauer ließ sich breitschlagen, das Mammutprojekt zu leiten. Nach über einem Tag Dauerunterricht und unzähligen Interviews klingt seine Stimme wie ein Reibeisen. Trotzdem lächelt er immer noch und wirkt erstaunlich entspannt. „Ich fand das total lustig,“ sagt er. Man müsse im Leben auch manchmal etwas Verrücktes machen. Er gibt zu, dass so ein Tag-und-Nacht-Unterricht weniger effektiv als normale Schulstunden sei, zumindest wenn man das abfragbare Wissen als Maßstab nimmt. Aber er glaubt, der Projekttag habe bei vielen SchülerInnen das Interesse für den bearbeiteten Stoff geweckt.

Thema war Kultur und Geschichte der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. In Kleingruppen recherchierten die SchülerInnen über bestimmte Aspekte wie Mode, Film oder Sport in dieser Zeit und präsentierten ihre Ergebnisse auf liebevoll gestalteten Plakattafeln. „Die Texte hatten wir abends um zehn schon fertig,“ berichtet Nina Bergeest (14), die ihren Bereich Architektur sehr spannend fand. Nachts wurden noch die Poster entworfen. Da ließ die Konzentration aber schon deutlich nach. „Es wurde dann schon anstrengend,“ sagt Ann-Kathrin Dräger (15). Ihr hat die viele Gruppenarbeit gut gefallen. Der nächtliche Tangotanz sei dann doch eine willkommene Abwechslung gewesen. Jochen Bauer hatte als Überraschung einen Tangolehrer organisiert, der die Klasse in den 20er-Jahre-Tanz einführte.

Wie man die Müdigkeit bekämpfen und die toten Punkte überwinden konnte, ist wichtigstes Thema beim Resümee, das die SchülerInnen am Ende der 25. Stunde ziehen. „Viel trinken“ müsse man, haben sie gelernt. Man bekommt den Eindruck, Überlebende eines Survivaltrainings vor sich zu haben. Dieser Sensationseffekt hat wohl die Unmengen an Presseleuten angezogen. „Es war irritierend, ständig fotographiert zu werden“, meint Nina Bergeest. Dass die Klasse wie Popstars gefeiert wird, gönnt ihnen der Zwölftklässler Julien Mohr (18), auch wenn er spöttisch grinsend meint, dass der Wunsch nach solchem Daueruntericht „dem Schülertum widerspricht“.

Mit so großen Interesse von Presse, Funk und Fernsehen hatte Jochen Bauer überhaupt nicht gerechnet. Er hat schon eine Idee, wie er den Medienrummel im Untericht verwerten kann. Als nächstes wird er im Gemeinschaftsunterricht das Thema Medien durchnehmen. „Eine bessere Voraussetzung als die unmittelbare Erfahrung damit gibt es kaum“, freut sich der Pädagoge.

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