: Eher ein Liberaler
Hans-Jürgen Papier wird als Nachfolger von Jutta Limbach neuer Präsident des Bundesverfassungsgerichts
KARLSRUHE taz ■ Jutta Limbach hat das Amt populär gemacht. Als gleichzeitig liebenswürdige und entschiedene Präsidentin stand sie in den letzten acht Jahren dem Bundesverfassungsgericht vor. Gestern wurde vom Bundesrat Hans-Jürgen Papier als ihr Nachfolger gewählt. Wie in Karlsruhe üblich rückt der bisherige Vizepräsident an die Spitze. Üblich ist auch, dass auf das SPD-Mitglied Limbach mit Papier ein Unions-Mann folgt. Mitglied in der CSU ist Hans-Jürgen Papier allerdings nur, weil er seit 1992 in München wohnt. In den Siebzigerjahren, während seiner Zeit als Rechtsprofessor in Bielefeld, war er ursprünglich in die CDU eingetreten.
„Ich bin eher ein Liberaler, mit einer gewissen konservativen Ausrichtung“, sagt er auf die Frage, wie er sich politisch verortet. Als Vorsitzender des Ersten Senats wird er am 9. April auch die Verhandlung über die bayerische Klage gegen die Homoehe leiten.
Parteipolitisch aktiv war Papier bisher nicht. Als er 1990 Vorsitzender der Kommission zur Abwicklung des SED-Vermögens wurde, kam er in diese Position als „Neutraler“. Angeblich wusste nicht einmal die Bundesregierung von seiner CDU-Mitgliedschaft. „Er hat den derben Auftrag mit Eleganz und intellektueller Brillanz ausgeführt“, sagte der damalige PDS-Sprecher Hanno Harnisch über Papiers Rolle. „Ich bin stolz, dass das ganze relativ geräuschlos über die Bühne gegangen ist“, meint Papier heute.
Papier ist keiner, der auf öffentliche Effekte schielt. Er gilt aber als einer der profiliertesten Rechtsprofessoren in Deutschland und ist Mitherausgeber des einflussreichen konservativen Grundgesetzkommentars „Maunz-Dürig“. Schon vor seiner Wahl zum Verfassungsrichter war er als Rechtsvertreter der damaligen Bundesregierung öfters in Karlsruhe tätig.
Der 58-Jährige stammt aus einer alten Hugenottenfamilie. Sein Nachname wird allerdings schon seit Generationen deutsch ausgesprochen. In seiner Jugend betonte man noch die zweite Silbe des Namens (wie beim Blatt Papier), inzwischen liegt die Betonung aber auf der ersten Silbe (wie bei Tapir). „Damit haben die Kollegen an der Bielefelder Uni angefangen“, erinnert sich der gebürtige Berliner.
Am 10. April wird Papier von Bundespräsident Rau seine Ernennungsurkunde erhalten, bis Ende März ist Jutta Limbach noch Präsidentin. Vorher will sie noch die lang erwartete Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht verkünden, sagte sie gestern vor Journalisten. Das Landgericht Potsdam hatte Karlsruhe die Frage vorgelegt, ob die militärische Dienstpflicht angesichts der veränderten Weltlage noch zu rechtfertigen sei. Mit einer Abschaffung der Wehrpflicht ist allerdings kaum zu rechnen. Schließlich hat das Gericht nicht einmal eine mündliche Verhandlung angesetzt.
Als neue Richterin am zweiten Senat wird auf Limbach voraussichtlich Gertrude Lübbe-Wolff, eine renommierte parteilose Umweltrechtlerin, folgen. Neuer Vorsitzender des zweiten Senats soll der seit 1996 amtierende Richter Winfried Hassemer werden. Beide Wahlen sind laut Bundestag für den 15. März vorgesehen. „Damit sind in der Summe immerhin drei Wahlgänge erforderlich, um mich in Karlsruhe vollständig zu ersetzen“, schmunzelte Limbach gestern.
CHRISTIAN RATH
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