piwik no script img

Stellschraube Klassengröße

Senat soll Erhöhung von Lehrerarbeitszeit und Klassenfrequenz planen. Schulbehörde dementiert: Das seien Ideen von Rot-Grün  ■ Von Kaija Kutter

Die Tageszeitung Die Welt setzte die schulpolitische Landschaft in Hamburg gestern mit der Veröffentlichung eines Gruselkatalogs in Aufregung. Demnach plane der Senat die Plichtstundenzahl für Lehrer zu erhöhen und die Klassengrößen um je einen Schüler heraufzusetzen. Ferner sollten die Einstiegsgehälter für Lehrer auf die Besoldungsgruppe A 12 gesenkt und die Zuschüsse für Privatschulen gesenkt werden.

Zur Zeit unterrichten Gymnasiallehrer 24, Grundschullehrer 28 und Haupt- und Realschullehrer 26 Stunden. Der letzte Versuch, dies zu erhöhen, war 1998 nach einer Massendemonstration von 80.000 Schülern, Lehrern und Eltern auf der Moorweide zurückgenommen worden. Die Klassengröße liegt je nach Schulform zwischen 26 und 28 Schülern.

Der Vorschlag, beides zu erhöhen, soll bei einem Dreiergespräch zwischen Bürgermeister Ole von Beust, Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) und Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) erörtert worden sein. „Es hat ein routinemäßiges Gespräch zum Haushalt 2003 gegeben“, bestätigt Behördensprecher Hendrik Lange. Bei den Vorhaben handle es sich aber um alte Planspiele der rot-grünen Regierung: „Die waren in den Plänen der Finanzbehörde noch drin.“ Dies decke sich nicht mit den Vorhaben der FDP-geführten Behörde. Lange: „Da gibt es andere Stellschrauben, an denen man drehen kann.“

In Beobachterkreisen nimmt man die Meldung dennoch sehr ernst. Hat doch der Schulsenator bisher nicht darlegen können, mit welchen Stellen er die angekündigte Schulzeitverdichtung im Gymnasium, den Ausbau von Ganztagsschulen und die Verbesserung der Sprachförderung umsetzen will.

Zwar gibt es 84 zusätzliche Lehrerstellen, doch die werden rein rechnerisch schon für steigende Schülerzahlen benötigt, die nach der Herbstprognose um 0,6 Prozent erhöhen. „Es ist erkennbar, dass es kneift“, sagt die SPD-Schulpolitikerin Britta Ernst. Hinzu komme, dass die Schulbehörde mit zusätzlich 117 Stellen im Rückstand sei, die sie wegen der noch unter Rot-Grün vollzogenen Haushaltskonsolidierung abgeben muss. Diese Zahlen sind im Haushaltsausschuss zwar auf den Tisch gelegt worden, was jedoch fehlte, war ein „Lehrerbedarfsplan“ fürs kommende Schuljahr, der so die SPD-Abgeordnete, „uns in vergangenen Jahren immer vorgelegt wurde“. Ernst: „Als wir danach fragten, sagten Behördenvertreter, dass sich Bedarf aus Bedarfsgrundlagen ableite.“ Die Nachfrage, ob mit dieser Formulierung eine Erhöhung der Klassenfrequenz gemeint sei, wurde weder bejaht noch dementiert.

GEW-Chefin Anna Ammonn kündigte „massive Widerstandsmaßnahmen“ an, sollten die Welt-Pläne umgesetzt werden. Der Schulbereich habe allein in den letzten acht Jahren die Streichung von 2000 Lehrerstellen hinnehmen müssen. Ammonn: „Der Dreierpack von Pflichtstundenerhöhung, Klassenfrequenzerhöhung und Besoldungskürzungen ist ein Sprengsatz, der alle Betroffenen gegen diese Regierung aufbringen wird.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen