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Mit Übersee-Erfahrung

■ Das Übersee-Museum hat eine neue Direktorin. Die taz sprach mit Wiebke Ahrndt über weltumspannende Themen und eintauchende Besucher

Nach langen Querelen um die Nachfolge von Viola König sitzt seit 1. März Wiebke Ahrndt, 38, auf dem Direktorenstuhl des Übersee-Museum. Reizvoll findet sie vor allem die Umbruchsituation, die sie dort vorfindet: Erstens wird das Gebäude saniert. Und zweitens kommt mit ihr auch ein neuer Geschäftsführer. Kultursenator Kuno Böse (CDU) meinte bei der offiziellen Vorstellung: „Wir krempeln die Ärmel hoch und das Museum um.“

taz: Wie wird man eigentlich Direktorin im Übersee-Museum?

Wiebke Ahrndt: So etwas wird ausgeschrieben. Ich habe mich ganz regulär beworben und habe mich gefreut, als ich eingeladen wurde. Dann gibt es für Stellen in der Position eine externe Findungskommission, die einen prüft und hören will, was man für Ideen hat.

Was haben Sie denen gesagt?

Dass es an der Zeit ist, die Dauerausstellungen neu zu konzipieren. Die stehen zum Teil ja seit fast dreißig Jahren. Das Nebeneinander von Völkerkunde und Handelskunde im Übersee-Museum ist in Deutschland einzigartig. Ich bin der Ansicht, dass es am Beginn des 21. Jahrhunderts absolut angeraten ist, diese drei Bereiche ganz eng miteinander zu vernetzen. Weil wir dann die Möglichkeit haben, bestimmte Vorgänge auf der Welt zu erklären, und zwar verständlich, aber in ihrer ganzen Komplexität.

Aber ist das nicht ein Konzept, das das Übersee-Museum schon seit den 70er Jahren verfolgt?

Ja, es ist immer wieder dagewesen, aber in den Ausstellungen befanden sich die einzelnen Bereiche nur räumlich nebeneinander und waren nicht inhaltlich miteinander verwoben. Das Neue an dem Konzept ist: Die Beziehungen sollen deutlich hervorgehoben werden. Und uns ist wichtig, auch den Bremen-Bezug klar herauszuarbeiten. Das Spiel zwischen Lokalbezug und überseeischer Ausrichtung ist genau das Spannende: Wir können von Bremen ausgehen und schauen in die ganze Welt. Wir können aus der Welt kommen und landen wieder in Bremen.

Gibt es noch andere Neuerungen, die Sie anstreben?

Es ist bereits viel vorgearbeitet worden zum Thema Ozeanien. Außerdem wollen wir einige übergreifende, weltumspannende Themen erarbeiten. Dinge, die sich sonst in den einzelnen Abteilungen wiederholen würde. Zwei Stichworte sind: Weltreligionen und Weltmusik. Es ist ganz oben in meiner Prioritätenliste, an dem neuen Dauerausstellungskonzept mit den Kollegen weiterzuarbeiten. Im Team, das ist mir sehr wichtig. Ich halte es nicht für sinnvoll, dass als neue Direktorin ganz alleine zu sagen, wo die Musik spielt.

Dennoch hat man Sie wegen Ihrer konzeptionellen Vorstellungen ausgewählt. Wie lange wird es dauern, bis Ihr Stempel im Haus sichtbar sein wird?

Hier bewegt sich viel und es gibt diverse Runden, in denen konzeptionell gearbeitet wird. Da werde ich mich einbringen. Da spürt man meine Anwesenheit sehr schnell. Wie lange es allerdings dauern wird, bis man dauerhafte Spuren von meiner Tätigkeit sehen wird, da bin ich selbst gespannt.

Wie viel Wissenschaft braucht ein Museum?

Ein Museum hat natürlich die Aufgabe, Wissen nach außen zu vermitteln und dieses Wissen entsteht aus dem wissenschaftlichen Kontext heraus. Wenn wir hier up-to-date sein wollen, dann ist es sehr gut, eine intensive Zusammenarbeit mit der Universität zu haben. Das macht Museumsarbeit so spannend: Einerseits gibt es Wissenschaftler, die mit Begeisterung mit den Objekten arbeiten und versuchen, möglichst viel herauszubekommen. Andererseits muss man versuchen, ihre Ergebnisse in einer Sprache zu vermitteln, die allgemein verständlich ist. Der Reiz des Jobs ist, nicht nur selbst zu forschen, sondern die Schnittstelle zwischen Forschung und Vermittlung zu sein.

Wo verorten Sie sich im Spannungsfeld „Wissensvermittlung versus Erlebniswelt“?

Ein Museum muss beides sein. Natürlich hat das Museum einen Bildungsauftrag. Nur ist es auch ganz klar und menschlich, dass man Bildung gerne spannend vermittelt kriegen möchte. Ein Besuch im Übersee-Museum muss ein Erlebnis sein, spannend und unterhaltsam. Man muss die Dinge inszenieren, entweder sehr zurückgenommen als Kunst oder als ganze Szenerien, die den Besucher eintauchen lassen in fremde Welten.

Was sagen Sie zu multimedialen Vermittlungsstrategien?

Wenn es gut gemacht ist, ist es sehr schön und sehr spannend. Es ist immer gut, wenn der Besucher selber auch etwas zu tun bekommt und die Inhalte selber bestimmen kann. Das kenne ich von mir selber.

Multimedia ist also auch im Übersee-Museum zu erwarten?

Ja. Multimedia wird definitiv auch in den neuen Ausstellungen integriert sein.

Derzeit steht die Wirtschaftlichkeit des ÜbermaxX zur Debatte und es fällt auf, dass das Übersee-Museum unlängst die Öffnungszeiten des ÜbermaxX beschnitten hat. Kamen zu wenig Besucher?

Nein, das hatte andere Gründe. Was die kritischen Töne bei den Besucherzahlen betrifft, so werde ich nicht müde zu betonen, dass das Bewahren von Weltkulturerbe eine wichtige Aufgabe eines Museums ist. Und dazu braucht man gute Magazine. Und das ÜbermaxX ist fantastisch: Ich habe so ein Magazingebäude wie hier noch nie gesehen. Darauf können die Bremer stolz sein, damit können sie sich sehen lassen. Und man kann auch noch mit der Museumskarte hineingehen. In welchem anderen Magazin in Deutschland können Sie das schon? Fragen: Klaus Irler

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