: Die Szene ist zu klein
Druckräume in Berlin bringen mehr Probleme als Abhilfe, sagt Michael Hoffmann-Bayer vom Drogennotdienst
taz: Der Senat will Druckräume einrichten. Viele Hilfseinrichtungen unterstützen das, Sie nicht. Warum?
Michael Hoffmann-Bayer: Grundsätzlich können Druckräume eine sinnvolle Maßnahme sein, doch die prekäre Finanzsituation der Stadt zwingt dazu, nur fachlich notwendige Projekte zu realisieren. Berlin hat im Gegensatz zu anderen bundesdeutschen Städten keine großen offenen Drogenszenen.
Und was ist das am Kottbusser Tor und in Moabit?
Das sind weniger offene Szenen, sondern soziale Brennpunkte, zu denen auch Drogenabhängige gehören. Mit der Situation in Frankfurt oder Hamburg, wo sich täglich bis zu 500 Drogenabhängige aufgehalten haben, ist das nicht vergleichbar.
Die Anwohner am Kotti sind verärgert, und vielen Junkies geht es gesundheitlich sehr schlecht. Das sind doch Argumente für einen Druckraum.
Natürlich ist es für Junkies besser, nicht auf der Straße drücken zu müssen. Aber es macht keinen Sinn, unreflektiert da anzuknüpfen, wo andere Kommunen vor zehn Jahren gestartet sind. Es besteht die Gefahr, dass wir uns mit Druckräumen vor Ort zusätzliche Probleme schaffen: Dealer, erhöhte Polizeipräsenz, Ärger mit den Anwohnern. Und mobile Einrichtungen, wie sie jetzt im Gespräch sind, gehen an der Zielgruppe völlig vorbei.
Warum?
Sie setzen voraus, dass der Drogenabhängige sich überlegt, wann er sich wo einen Druck setzen will, und dann weiß, wo sich der Bus gerade aufhält. Das funktioniert nicht.
Der Drogennotdienst betreibt zwei Methadonambulanzen, in denen viele Junkies verkehren. Was kann man für Druckräume daraus lernen?
Man muss zwei Ziele verfolgen: den Abhängigen helfen und gleichzeitig Akzeptanz in der Umgebung schaffen. Im Umkreis unserer Ambulanzen dürfen sich die Drogenabhängigen zum Beispiel nicht aufhalten. Dazu werden klare Regeln benötigt. Außerdem zeigen Frankfurt und Hamburg, dass man Polizeipräsenz in der Nähe benötigt, die dafür sorgt, dass keine Dealer kommen und sich keine Szene bildet.
Statt in Druckräume würden Sie das Geld anderswo in der Drogenhilfe investieren. Wo?
Wir betreuen einen hohen Anteil von Abhängigen in der Substitution mit Methadon. Es gibt Drogenabhängige, die wir mit unserem Angebot nicht erreichen, und Drogenabhängige, für die die Substitution mit Methadon nicht ausreicht. Für diese Gruppen wäre eine kontrollierte Heroinvergabe sinnvoller.
Dafür ist es zu spät. Das bundesweite Modellprojekt hat ohne Berlin begonnen.
Ja, aber hier müssen wir anknüpfen. Unserer Klientel hilft man mit Druckräumen nicht. Die müssen wir außerhalb der Drogenszene stabilisieren.
INTERVIEW: SABINE AM ORDE
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