Ein ganz schlimmer Finger

Eine WDR-Doku über Berlusconi konzentrierte sich am Montag auf seine frühen Sünden – zeigte aber nicht den Politiker

ROM taz ■ Silvio Berlusconi und die Mafia in einem Atemzug zu nennen, kann ein teurer Spaß werden. Auf rund 4,1 Millionen Euro verklagte Berlusconi den Lega-Nord-Chef Umberto Bossi, weil der penetrant Zusammenhänge zwischen den Erfolgen des TV-Unternehmers und der ehrenwerten Gesellschaft herstellte; das Verfahren erledigte sich erst, als Bossi sich dem „Mafioso“ erneut als Partner andiente.

Trotzdem trauten sich Heribert Blondiau und Udo Gümpel, in ihrem Porträt „Silvio Berlusconi – ein Doppelleben“ die Frage zu stellen, ob das unternehmerische Glück des Mailänders sizilianische Wurzeln hat. Endgültige Antworten gab es nicht, aber in 45 Minuten wurde dem Zuschauer der Eindruck vermittelt, Berlusconis Dauerkrieg gegen Staatsanwälte und Richter liege schon in den Anfängen seines Imperiums begründet.

Da übertreiben die Autoren bisweilen ein bisschen. So hat es Berlusconi keineswegs nötig, heute das Rechtshilfeabkommen mit der Schweiz zu hintertreiben, um weiter vertuschen zu können, aus welchen Quellen er in den Siebzigerjahren die millionenschwere Anschubfinanzierung für seine Bauvorhaben erhielt. Denn die unschönen Fragen, die Blondiau und Gümpel umtreiben, stellt in Italien kaum noch jemand. Die wenigen, die sich noch die Mühe machen, in Berlusconis Vergangenheit rumzustochern, waren fast komplett als Interviewpartner in der Doku zu besichtigen.

Der Bauunternehmer von den Gnaden anonymer Geldgeber, der Medienzar mit dem politischen Paten Bettino Craxi, der Politiker, der sich in Korruptionsprozessen verantworten muss, während einer seiner engsten Mitarbeiter in Palermo als Handlanger der Mafia angeklagt ist – schon das ist reichlich Stoff. Aber die Autoren wollten zugleich ein Psychogramm des seit früher Kindheit geldgeilen (Mutter beim Wechselgeldabrechnen beschissen, Klassenkameraden mit Abschreibenlassen gegen Honorar ausgeplündert) Erfolgsmenschen liefern.

So entsteht ein verworrenes Bild: Am Ende wissen wir zwar, dass Berlusconi ein schlimmer Finger ist. Aber weniger Schwänke aus Silvios Jugendzeit, dafür eine geduldigere Befassung mit dem reifen Berlusconi wären dem Porträt gut bekommen. Und dem deutschen Zuschauer hätte es auch geholfen. Berlusconi als Blender mit nicht ganz weißer Weste, als Verkaufsgenie von Traumwelten, schließlich als „Big Brother“ – da bleibt beim deutschen Publikum wieder mal das fassungslose Staunen über „diese Italiener“, die „so einem“ hinterherlaufen. Der Politiker Berlusconi geht in den Beschuldigungen unter. Schließlich hat er ja nicht nur die Regierung übernommen, um Gesetze zum Wohle mafioser Geldwäscher zu erlassen – wie der Ökonom Paolo Sylos-Labini im Interview ausführt –, sondern will seinem Land zugleich als großer Bruder Schills ganz jenseits eventueller eigener privater Unanständigkeiten einen rechten Aufstand der Anständigen verpassen.

MICHAEL BRAUN