: Stichworte sind klar
Heute tagen die Experten zur Reform der Arbeitsämter erstmalig. Wie lange sie wohl öffentlich schweigen?
BERLIN taz ■ Eine seltsame Rolle für eine Expertenkommission: Heute treffen sich 15 Arbeitsmarktexperten zum ersten Mal – aber eigentlich trifft sich eine ganze Nation. Von allen Seiten prasseln die Vorschläge, was es zu beschließen gilt.
Dabei sollte eigentlich bis August nachgedacht werden, wie die Bundesanstalt für Arbeit zu reformieren ist. Was bei diesem Zeitplan vergessen wurde: Es ist Wahlkampf. Und wenn die 15 Arbeitsmarktexperten tatsächlich monatelang schweigen sollten, reden eben andere. Die Stichworte sind klar:
1. Die Zukunft der Landesarbeitsämter. Das klingt harmlos, aber es handelt sich um viele Arbeitsplätze. Entsprechend hart sind die Fronten: Der designierte Chef der Arbeitsämter, Florian Gerster, „kann sich vorstellen“, die Landesarbeitsämter zu schließen. Dagegen protestierten gestern bereits sieben Bundesländer.
2. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Dies war von Anfang an ein offizieller Regierungsauftrag an die Kommission. Streitfrage ist, ob damit auch die staatlichen Leistungen gekürzt werden sollen, um die Haushalte zu sanieren.
3. Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Ältere. Gerster hatte gefordert, sie von 32 Monaten abzusenken. Es erstaunt nicht, dass der Arbeitgeberverband gestern wissen ließ, dass Gerster „der richtige Mann“ für den Reformstau sei. Beistand erhielt er aber auch von NRW-Arbeitsminister Schartau (SPD).
Harald Schartau ist übrigens gleichzeitig Mitglied der Reformkommission für die Bundesanstalt für Arbeit – und es wäre erstaunlich, wenn die 14 weiteren Experten bis August den Mund halten würden. Das Phänomen der Weizsäcker-Kommission wird sich kaum wiederholen. Sie legte die Debatte um die Zukunft der Bundeswehr ein Jahr lang lahm, indem auf jede Anfrage geantwortet wurde: Man solle doch bitte erst die Ergebnisse der Kommission abwarten.
Es ist kein Schaden für eine Demokratie, wenn frühzeitig gestritten wird – solange alle mitmachen dürfen. Gestern jedoch fragte die „Koordinierungsstelle der Arbeitslosengruppen“: „Wieso werden Erwerbslose und ihre Vertreter an der öffentlichen Diskussion um Arbeitslosigkeit nicht beteiligt?“
P. S. Neben Schartau sind die weiteren Mitglieder der Kommission: Norbert Bensel (DaimlerChrysler), Jobst Fiedler (Roland Berger), Heinz Fischer (Deutsche Bank), Peter Gasse (IG Metall), Werner Jann (Verwaltungswissenschaften in Potsdam), Peter Kraljic (McKinsey), Isolde Kunkel-Weber (Ver.di), Klaus Luft (Unternehmensberater), Wilhelm Schickler (Leiter des Landesarbeitsamtes in Frankfurt am Main), Hanns-Eberhard Schleyer (Zentralverband des Deutschen Handwerks), Günther Schmid (Wissenschaftszentrum Berlin), Wolfgang Tiefensee (SPD-Oberbürgermeister von Leipzig) und Eggert Voscherau (BASF). Diese 13 Männer und 1 Frau haben auch einen Leiter: Peter Hartz von VW.
ULRIKE HERRMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen