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Kopftuch statt Kochtopf

Die iranische Frauenzeitschrift „Zanan“ will mit islamischen Argumenten die Gleichberechtigung erreichen. Sie steht darin an Radikalität den säkularistisch denkenden Frauen in nichts nach

von KATAJUN AMIRPUR

Dass in der Islamischen Republik Iran alles gleichgeschaltet ist, dürfte eine recht weit verbreitete Ansicht sein. Aber man denkt dabei nicht nur an die Frauen im Tschador und die Fäuste schwingenden Glaubenskämpfer, sondern – vor allem seit dem Verbot zahlreicher liberaler Zeitungen im April 2000 – auch an die Medien.

Umso erstaunlicher ist daher die breite Palette von Zeitungen und Zeitschriften, die ein durchschnittlicher Teheraner Kiosk zu bieten hat. Unter diesen Zeitungen und Zeitschriften sind besonders die interessant, die sich gegen die herrschende restriktive Islamauslegungen wenden, aber dabei islamisch argumentieren. Eine dieser Publikationen ist die Frauenzeitschrift Zanan, zu deutsch „Frauen“, das Flaggschiff der islamisch denkenden Frauenrechtlerinnen Irans. Sie fordern dieselben Rechte wie die Männer. Dass Frauen heutzutage nicht gleichberechtigt sind, liegt für sie jedoch nicht am Koran, sondern daran, dass bisher nur Männer den Koran interpretiert und ausschließlich zu ihren eigenen Gunsten ausgelegt hätten.

Der Koran ist nicht schuld

Diskutiert werden in Zanan das Scheidungs-, Ehe- und Erbrecht, das ungleiche Blutgeld („diye“) für Männer und Frauen, die Heirat von Minderjährigen und die Frage, ob Frauen Präsident werden können. Sie sehe keinen Widerspruch zwischen ihren Forderungen und den Geboten des Koran, sagt Shahla Sherkat, die Herausgeberin von Zanan. Es gebe viele rechtliche Ungerechtigkeiten, die nicht mit dem Koran zusammenhängen, Fragen, zu denen sich der Koran gar nicht äußert und solche Ungerechtigkeiten, die aufgrund von patriarchalischen Vorstellungen der Gesetzgeber entstanden sind. Außerdem könne man in vielen Punkten beweisen, dass der Koran nicht meint, was die iranischen Gesetzgeber darunter verstanden haben. Zum Beispiel habe sie in ihrer Zeitschrift nachgewiesen, dass der Koran keineswegs den Männern erlaubt, ihre Frauen zu schlagen. Auch andere Verordnungen, wie die finanziellen Abfindungen im Todesfall, die für Männer doppelt so hoch sind wie für Frauen, seien keineswegs endgültig. Man müsse den Geist der koranischen Gebote erkennen und davon ausgehend interpretieren. Immerhin habe der Koran, als er offenbart wurde, die Situation der Frau verbessert.

Eine stetige Verbesserung ihrer Lage sei also der Geist des Koran, und in diesem Sinne müsse man heute fortfahren. Islamische Frauenrechtlerinnen wie Sherkat benutzen genuin islamische Argumente, um Forderungen durchzusetzen, die in ihrer Radikalität denen der säkularistisch argumentierenden Frauen meistens kaum nachstehen. Ihr Begehren wird jedoch im Gegensatz zu dem der säkularisierten Frauen nicht von vorne herein mit dem Stempel der Areligiosität versehen, zumal diese Frauen dem westlich geprägten Feminismus ohnehin ausgesprochen kritisch gegenüberstehen.

Sherkat sieht im Übrigen auf den ersten Blick aus wie das beste Beispiel für die Unterdrückung der Frau im Namen des Islam. Sie ist verschleiert. Trotzdem fordert sie Gleichberechtigung. Die Präsenz von Frauen in den verschiedenen Sphären der iranischen Gesellschaft belegt ohnedies, dass Kopftuch und gesellschaftliche Aktivität keine unüberwindbaren Gegensätze sind. Frauen werden heutzutage Ärzte, Lehrer und Bürgermeister. Und sogar die klassische Männerdomäne des Nahen Ostens haben sie mittlerweile erobert: Sie fahren Taxi. Selbst Fatima Mernissi, die zu den entschiedensten Gegnern des Kopftuchs gehört und meint, dass die Frau aus dem Haus in die Gesellschaft tritt, indem sie zuerst ihr Kopftuch ablegt, kann dem Kopftuch einen strategischen Wert für die Emanzipationsbewegung abgewinnen. Sie nennt Iran als positives Beispiel dafür, dass es bei der Frauenfrage nicht in erster Linie darum geht, ob Frauen verschleiert sind oder nicht.

Angriff von Schlägertrupps

Einfach ist die Arbeit von Zanan allerdings nicht. Die Zeitschrift provoziert häufig ärgerliche Reaktionen auf seiten der konservativen Geistlichkeit. Das Büro des Leiters der iranischen Judikative hat schon oft zu den in Zanan veröffentlichten Artikeln Stellung genommen. Inzwischen sah sich sogar die theologische Hochschule von Qom veranlasst, auf die wachsende Anzahl von Frauenzeitschriften zu reagieren, indem sie nun eine eigene, konservativ argumentierende Zeitschrift herausbringt. Andere Leser sind weniger diskussionsfreudig. Die Redaktion von Zanan wurde auch schon von einem Schlägertrupp angegriffen. Doch Sherkat lässt sich von den Attacken der Schlägertrupps nicht abhalten, ihre Kritik an den Traditionalisten offen zu formulieren.

Über ein Gesetz vom Frühjahr 1998, das vorsieht, Frauen dürften nur von weiblichen Ärzten behandelt werden, schrieb sie: „Die Frauen werden einen solchen Dogmatismus der Religion anlasten und nicht den Verordnungen, die sich die starrsinnigen Hirne der Traditionalisten für sie ausgedacht haben.“ Unter den gegebenen Bedingungen in der Islamischen Republik scheint der islamisch begründete Kampf für Frauenrechte die einzige realistische Alternative zu sein.

Deshalb interpretieren heute die iranischen Frauen den Koran selber. In einer islamisch geprägten Gesellschaft liegt ihre einzige Hoffnung auf Gleichberechtigung darin, am theologisch-juristischen Diskurs teilzunehmen und selbst festzulegen, was essenziell islamisch ist und was nicht, welche Gesetze dem Wandel unterliegen und welche nicht.

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