philipp maußhardt über Klatsch
: Einen Steinwurf hinterm Schlagbaum

Wo wohne ich? Das fragen wir uns alle. Nur sind die Antworten der Promis irgendwie schöner

Wenn man bei Kufstein über die deutsch-österreichische Grenze fährt, muss man (leider) von erlaubten 240 Stundenkilometern (oder mehr) herunterbremsen auf 120. Genau da haben sie vor Jahren übrigens Lothar Matthäus mal geblitzt. Egal. Jedenfalls, diese Grenze ist nur noch am Gaspedal als Hindernis wahrnehmbar, von den früheren Zollhäusern keine Spur mehr. Wenn man mal einen Tag lang auf einem Campingstuhl sitzend warten würde, wer da so alles aus Österreich auf dem Weg zur Arbeit nach Deutschland vorbeikommt, tät man sich schon wundern. Unser Franz Beckenbauer, grüß Gott! Gleich hinter ihm rast Gerd (Feinkost-)Käfer im BMW an uns vorbei. Ja servus! Wohnen ja beide in Kitzbühel, wie auch Thomas Haffa (aber der gilt nichts mehr) oder Wurstfabrikant Houdek.

Kitzbühel hat den Vorteil, dass es gleich hinter der Grenze liegt und doch sehr, sehr weit entfernt vom nächsten deutschen Finanzamt ist. Es ist quasi mental noch deutsch, fiskalisch aber österreichisch. Wobei Franz Beckenbauer immer sagt, er wohnt dort, weil es halt so schön ist in „Kitz“.

Einen anderen, ganz in der Nähe gelegenen Grenzübergang nimmt Ralf Schumacher. Der wohnt auch nur einen Steinwurf hinterm Schlagbaum, aber mehr Richtung Salzburg. Jetzt hat Ralf in einem Stern-Interview nochmals gesagt, was er früher schon gesagt hatte, dass er wegen der niedrigen Einkommenssteuer nach Hallwag (Salzkammergut) gezogen sei. Da hat sein Medienberater wieder mal nicht aufgepasst. Das muss heißen: Weil Hallwag so wunderschön gelegen ist und weil die Menschen dort so freundlich sind!

Die Frage: Wo wohne ich?, stellt sich ja jedem von uns. Und auch ein Jupp Pütz überlegt sich, ob er nicht besser von Köln-Lindenthal nach Köln-Ehrenfeld umzieht, weil dort die Mieten billiger sind. Es ist alles dasselbe, aber bei unseren Promis ist es halt alles schöner. Ein Spezialkapitel „Ich und mein Wohnsitz“ hat Boris Becker geschrieben. Nicht, dass wir Monaco nochmals erwähnen wollten. Aber wo wohnt dieser Mann wirklich (das ist jetzt nicht metaphysisch gemeint), wo ist er zu Hause? In Bogenhausen in seiner Villa sind meist die Rolläden heruntergelassen. Dann hat er noch einen Zweitwohnsitz in London und einen Drittwohnsitz in Miami. Sein Viertwohnsitz ist im steuergünstigen Kanton Schwyz in der Schweiz und den Fünftwohnsitz baut sich Herr Becker zurzeit immer noch auf Mallorca. Und überall muss man Staub wischen, ganz abgesehen davon, dass unser Englischlehrer immer sagte: „Ein Mann mit zwei Frauen verliert seine Seele. Aber ein Mann mit zwei Häusern verliert den Verstand.“ Ein Boris, fünf Häuser, wie viele Psychiater?

Übrigens ist es für die Nachbarn von Prominenten auch nicht immer nur schön. Willy Weber (mit i oder y soll uns heute egal sein), Rennsportmanager von Beruf, wohnt auf Mallorca direkt neben Claudia Schiffer. Nun ist Weber zwar auch ein bisschen prominent, aber eben lange nicht so schön wie Claudia Schiffer. Und darum steigen die Touristen immer auf seine Gartenmauer, um von dort in das Grundstück der Frau Schiffer zu gucken. Das regt Weber sei Jahren auf, aber machen kann er im Grunde nichts dagegen.

Das sollten die Einwohner von Wolfshalden im Kanton Appenzell ruhig mit bedenken, wenn sie am 21. April darüber abstimmen, ob Michael Schumacher zu ihnen ins Dorf ziehen darf. Michael und Corinna wollen dort einen alten Bauernhof kaufen, abreißen und ein standesgemäßes Domizil errichten. Dass die Dorfbewohner darüber abstimmen können, sollten wir alle im Hinterkopf behalten, wenn wir wieder einmal über die Schweiz lästern.

Schumi wohnt schon seit 1996 in der Schweiz, allerdings im französischsprachigen Vufflens-le-château (sprich: Wüfflan-le-schatoh). Weil er aber seine Kinder lieber doitsch erziehen möchte, wechselt er den Kanton. Schumacher gilt in der Schweiz als „erwerbslos“, weil es keine Formel-1-Rennstrecke gibt. Entsprechend zahlt er Steuern. Das sollten wir auch im Hinterkopf behalten, wenn wie wieder einmal zu positiv über die Eidgenossen reden. Tina Turner, Musikmillionärin mit Wohnsitz am Zürichsee („Goldküste“), hat dort mit den Steuerbehörden ausgehandelt, dass sie ein jährliches Einkommen von 200.000 Schweizer Franken versteuert.

Ähnlich verhält es sich mit David Bowie, Céline Dion oder Alain Proust. Denkwürdig, dass die Finanzämter darüber bestimmen, wo wir wohnen. So viel zum Thema Selbstbestimmung.

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