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Zinni soll das Töten stoppen

Nach der blutigsten Nacht seit Beginn der zweiten Intifada kündigt US-Präsident Bush eine neue Vermittlungsinitiative im Nahen Osten an. Israels Armee tötet über 35 Palästinenser. Fünf israelische Siedler sterben bei einem Anschlag der Hamas

GAZA afp ■ Trotz der neuen Vermittlungsinitiative der USA hat der Nahe Osten gestern ein Blutbad erlebt: Mehr als 40 Menschen, darunter 35 Palästinenser, wurden seit Donnerstagabend bei Militäraktionen, Schießereien und Anschlägen getötet. US-Präsident George W. Bush sagte, er sei „tief betroffen über den tragischen Verlust von Leben und über die eskalierende Gewalt“. Der Sonderbeauftragte Anthony Zinni werde kommende Woche eine neue Mission starten. Damit rückte Bush von seiner ursprünglichen Position ab, wonach eine neue Mission Zinnis nur bei einem Nachlassen der Gewalt Sinn mache.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon begrüßte die neue Initiative aus Washington. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) erklärte, es sei „richtig, jetzt auf die Konfliktparteien zuzugehen“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, die EU-Außenminister würden sich am Montag „prominent mit dem Thema“ befassen.

Allein bei ihrem Vormarsch auf das Dorf Chusaa in der Nähe von Chan Junis im Gaza-Streifen tötete die israelische Armee acht Palästinenser. Unter den Opfern war auch der Chef für öffentliche Sicherheit im südlichen Gaza-Streifen, der 62-jährige General Ahmad Mufridsch. Mufridsch war der ranghöchste Vertreter der Sicherheitskräfte, der seit Beginn der Intifada im September 2000 getötet wurde.

Aus dem Flüchtlingslager Nur Schams bei Tulkarem zog die Armee am Morgen eigenen Angaben zufolge ab. In dem Camp seien im Laufe der Nacht mehrere dutzend Palästinenser unter Terrorismusverdacht festgenommen worden, teilte die Armee in Jerusalem mit. Die Belagerung der autonomen Palästinenserstadt Tulkarem sowie des gleichnamigen Flüchtlingslagers dauerten dagegen an. Krankenhausangaben zufolge wurden dort sechs Palästinenser erschossen, darunter ein zehnjähriger Junge.

Nach Angaben palästinensischer Sicherheitskräfte rückten israelische Soldaten mit etwa 20 Panzern in die Flüchtlingslager Aida und Dheische ein. Bei Schusswechseln wurden dort mindestens drei Palästinenser getötet, darunter eine 35-jährige Frau. Der Chefberater von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, Nabil Abu Rudeina, sprach von einem „Generalkrieg“, der auf die „Auslöschung des palästinensischen Volkes“ abziele. Arafat habe US-Außenminister Colin Powell deshalb in einem Telefonat zu einer sofortigen Intervention aufgefordert, um die „Massaker der israelischen Armee“ zu stoppen, sagte Rudeina der Nachrichtenagentur AFP.

Erstmals seit Beginn der neuen Intifada im September 2000 wurde auch ein UN-Mitarbeiter getötet. Der Sanitäter der UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Kamal Hamadan, wurde in der Nähe von Tulkarem tödlich getroffen, als israelische Soldaten das Feuer auf sein als UN-Krankenwagen gekennzeichnetes Fahrzeug eröffneten. In dem Kugelhagel starben auch ein zweiter palästinensischer Sanitäter sowie zwei bewaffnete Palästinenser. UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte die israelische Regierung auf, Hamadans gewaltsamen Tod zu untersuchen.

Am Donnerstagabend drang ein Palästinenser in die jüdische Kolonie Atsmona im Gaza-Streifen ein, eröffnete das Feuer und zündete Handgranaten. Dabei wurden fünf Siedler getötet und 21 verletzt, fünf von ihnen schwer. Zu der Tat bekannte sich die radikale Hamas-Organisation.

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