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„Ein Stück Kirchengeschichte“

Schwangerschaftsberaterin Heike Hartkorn sieht das „Kernstück unserer Arbeit“ vernichtet. Aber: „Wie soll man gegen Rom ankommen?“

taz: Frau Hartkorn, Sie können nach der neuen Entscheidung des Papstes keine Schwangerenkonfliktberatung mehr anbieten. Welche Konsequenzen befürchten Sie?

Heike Hartkorn: Die Frauen werden woanders hingehen. Das haben Beraterinnen aus Bistümern, die schon früher ausgestiegen sind, immer wieder erzählt. Die Frauen stehen unter Druck und haben nicht genug Zeit, sich bei verschiedenen Stellen beraten zu lassen. Sie gehen gleich dahin, wo es den Schein gibt.

Die Konfliktberatung macht doch bei Ihnen nur 15–20 Prozent aller Gespräche aus?

Aber sie ist immer ein Kernstück unserer Arbeit gewesen. Das ist so, als ob einem plötzlich ein Arm oder Bein fehlt. Und bestimmte Frauen, die über einen Abbruch nachdenken, können wir jetzt nicht mehr erreichen.

Andere Beraterinnen sagen, sie sind froh, dass das Hickhack um eine Entscheidung endlich ein Ende hat.

Da geht es mir ähnlich. Wir hatten ja bis zuletzt gekämpft – wie gegen Windmühlen. Aber wenn man so lange durchhält, ist man auch froh, dass endlich eine Entscheidung da ist. Die ganze Situation war angespannt. Anderseits sind wir auch stolz, dass wir so lange durchhalten und noch vielen Frauen helfen konnten. Wir haben ein Stück Kirchengeschichte geschrieben. Aber wie soll man gegen Rom ankommen?

Waren kurz nach dem Ausstieg der anderen Bischöfe viele Frauen von anderen Bistümern zu Ihnen gekommen, weil sie woanders keinen Schein mehr bekommen hatten?

Ja, Anfang 2001 sind sehr viele gekommen. Das Bistum Trier ist zum Beispiel in der Nähe, und da gab es ja keine Scheine mehr.

Welche Probleme kommen jetzt auf die Beratungsstellen im Bistum Limburg zu?

Wir müssen jetzt sehen, wie wir uns weiter finanzieren. In anderen Bundesländern mussten die Stellen ja klagen, weil die Länder ohne Schein keine Fördermittel mehr bereitstellen wollten.

Donum Vitae will jetzt in Ihrem Bistum einspringen und Beratungsstellen mit Scheinvergabe eröffnen. Donum Vitae bietet allen kirchlichen Beraterinnen an, zu wechseln.

Über so was denke ich noch nicht nach. Wir müssen jetzt erst mal überlegen, wie es weitergeht. Hoffentlich können wir den Frauen, die im Moment bei uns in Betreuung sind, weil sie eventuell abtreiben wollen, noch weiter helfen. Aber ich weiß ja auch noch nicht, ab wann definitiv kein Schein mehr untschrieben werden darf.

INTERVIEW: NICOLE JANZ

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