Frauenkritik an Regierung

Wissenschaftlerinnen monieren zum 8. März die bislang nur mangelhafte Familien- und Gleichstellungspolitik

BERLIN taz ■ Der Frauentag hat der rot-grünen Bundesregierung kein Glück gebracht. Erst vergaßen die sechs weiblichen Minister des Schröder-Kabinetts ihre gemeinsame Pressekonferenz anlässlich des Frauentages und ernteten hämischen Spott. Anschließend holten zwei Wissenschaftlerinnen des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) mit ihrer Kritik an der Frauenpolitik von SPD und Grünen zum Rundumschlag aus. „Zu zögerlich“ sei die gesamte Gleichstellungspolitik der Bundesregierung, sagte WSI-Volkswirtin Ute Klammer der taz.

Klammer kritisierte, dass die Familienförderung lediglich um geringfügige monetäre Leistungen wie die Kindergelderhöhung verbessert, in wichtigen Fragen wie der Kinderbetreuung aber „nichts getan“ worden sei. Für gerade mal 5,5 Prozent aller unter Dreijährigen gebe es in den alten Bundesländern einen Betreuungsplatz. Nötig seien ein flächendeckendes Netz von Kinderbetreuungseinrichtungen und die Einrichtung von Ganztagsschulen. Nur dann werde sich auch die Erwerbsquote von Frauen verbessern.

Zurzeit arbeiten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lediglich 58 Prozent der Frauen in Deutschland. Bei den Alleinerziehenden sei der Anteil der Arbeitnehmerinnen auf 53 Prozent gesunken. Nach Angaben der WSI-Wissenschaftlerinnen liegt die Erwerbsquote von Männern in den alten Bundesländern um 18 Prozent höher als bei Frauen. Zudem hätten über 40 Prozent der Frauen nur Teilzeitstellen, während 95 Prozent der Männer in Vollzeit beschäftigt seien.

Auch das Steuer- und Sozialleistungssystem gehe völlig an der Realität vorbei, sagte Klammer der taz: „Es gibt viel zu große Anreize für Frauen, nicht erwerbstätig zu sein.“ Klammer forderte, das Ehegattensplitting durch ein Realsplitting zu ersetzen und die so genannte Elternzeit durch Geldleistungen auch für Väter attraktiv zu machen. „Da ist mehr als eine Werbekampagne nötig“, sagte ihre Kollegin Christina Klenner.

Zudem erneuerten die beiden Wissenschaftlerinnen die Forderung nach einem Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft, für das sich Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) „intensiv eingesetzt“ habe, aber an der „männlichen Phalanx“ im Kabinett gescheitert sei. Im anstehenden Familien-Wahlkampf habe Rot-Grün aber immer noch die besseren Argumente, sagte Ute Klammer der taz. In Sachen Familienpolitik könne die CDU „nicht mitpokern“.

Zumindest ein kleines Lob kam von der IG Metall: Durch die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes gebe es bei den Betriebsratswahlen Ende März wesentlich mehr Kandidatinnen als in den Jahren vorher. NAL