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Adenauer auferstanden

■ Mit abgespreiztem Finger wie in den 50er Jahren: Benimm-Kurse in Tanzschulen werden wieder nachgefragt

Discoleuchten aus den 80er Jahren, Jungs, die gelangweilt auf ihren Kaugummis herumkauen, und das schönste Mädchen kommt zehn Minuten zu spät. In der Hamburger Tanzschule Hädrich scheint alles so, wie es immer war. Doch keine Spur von müden Tanzlehrer-Monologen über Walzer und Tango: Plötzlich wird ein Tisch hereingetragen, in verwirrender Fülle gedeckt mit Gläsern, Bestecken und Tellern. „Welche Gabel ist für die Vorspeise?“, möchte Tanzlehrer Thorben Dahl wissen, „in welches der drei Gläser gehört der Wein?“.

In den rund 20 Hamburger Tanzschulen wird längst nicht mehr nur noch Walzer, Cha-Cha-Cha und Rock'n Roll gelehrt. Immer mehr Institute bringen den Schülern auch Taktgefühl abseits des Tanz-Parketts bei. „Es gibt eine Renaissance der Benimm-Regeln“, weiß Martin Schätzel vom Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) in Hamburg. Rund zwei Millionen besuchen jährlich die knapp 900 ADTV-Tanzschulen und wollen dabei immer häufiger auch korrekte Umgangsformen erlernen: Darf ich Hummer mit den Fingern essen? Wie meistere ich souverän ein Vorstellungsgespräch? Wen grüße ich zuerst – Großvater oder Schwiegermutter? Das Thema Benimm wird einer der Schwerpunkte sein bei dem Tanzlehrer-Kongress „Intakto“, der gestern in Hamburg im CCH eröffnet wurde.

„Das 'anything goes' ist vorbei“, sagt Tanzlehrer-Funktionär Schätzel, gefragt seien wieder gewisse Regeln auf dem gesellschaftlichen Parkett. Und Heiko Stender, der Inhaber der gleichnamigen Tanzschule in Niendorf, hat seit einer Weile beobachtet: „Personalchefs legen heute wieder Wert auf Umgangsformen.“

„Wir bereiten die jungen Menschen auch darauf vor, dass sie sich auf dem Arbeitsmarkt behaupten können“, sagt Bernd Hörmann, Inhaber der Tanzschule Hädrich. Etwa mit dem gemeinsamen Verfassen von Bewerbungsschreiben oder dem Üben von Vorstellungsgesprächen. Den Tanzlehrern würden gewisse Tipps und Regeln eher abgekauft als Pädagogen oder Eltern, meint er. Einige Schulen setzen dabei auf Kooperation mit Arbeitnehmern, Unternehmern oder Volkshochschulen.

Tanzen lernen hieß immer schon auch Umgangsformen lernen. Doch die einst eher verstaubt wirkenden und häufig langweilig vermittelten Anstandsregeln wurden von den Tanzschülern vor einigen Jahren bestenfalls stillschweigend akzeptiert: „Früher habe ich mich beim Thema Benimm-Regeln wie Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlen gefühlt“, sagt Stender. Heute würden manche Jugendliche sogar interessiert nachfragen, viele Eltern und Schüler würden sich die Kurse ausdrücklich wünschen. Dietmar Telser

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