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Der Verführer lässt grüßen

■ Vom coolen Cockney zum Ritter des Britfilms: Im Kino 46 läuft ab diesem Donnerstag eine Reihe mit Michael-Caine-Filmen

Er galt mal als die smarte, coole Alternative zu Sean Connery. Michael Caine war 1965 als Geheimagent Harry Palmer mit dicker Hornbrille und blonden Löckchen auf der Stirn mindestens so begehrt wie heute Brad Pitt.

Neben „Thunderball“ machte Bondproduzent Harry Saltzman in diesem Jahr noch einen Agentenfilm, dessen Held allerdings ein wenig realistischer gezeichnet werden sollte. „The Ipcress File“ (“Ipcress – Streng geheim“), basierend auf einem Roman von Len Deighton, zeigt Harry Palmer als aufstrebenden Cockney mit einem ruppigen proletarischen Charme. Bei ihm war das Gehirn gefährlicher als die Fäuste, und als sein schlimmster Feind entpuppte sich die Bürokratie des Geheimdienstes mit ihren Bergen von Formularen. Michael Caine war die ideale Besetzung, wohl weil er sich für die Rolle nicht viel verstellen musste: Auch er war ein aufstrebender „working class hero“, dessen Vater Träger auf dem Fischmarkt war und dessen richtiger Name Maurice Micklewhite so klingt, als hätte ihn Charles Dickens für einen seiner Schurken aus dem Lumpenproletariat erfunden.

Caine erzählt gerne die Geschichte, dass ihm sein Künstlername einfiel, als er auf einem Kinoplakat „The Caine Mutiny“ (“Die Caine war ihr Schicksal“) las: „Wäre ich an einem anderen Kino vorbeigekommen, würde ich Michael Hundertundein-Dalmatiner heißen“. Nach ein paar Nebenrollen wurde der Historienschinken „Zulu“ 1964 sein erster Erfolg, und als Harry Palmer entsprach er perfekt dem Londoner Zeitgeist der Swinging Sixties. Er spielte die Rolle in drei Filmen, am Besten eindeutig im ersten, „The Ipcress file“, mit dem das Kino 46 am Donnerstagabend um 20.30 Uhr die kleine Filmreihe startet.

Eine romantische Version des aufstrebenden Cockney-Rebellen war Caine als Playboy „Alfie“ (Fr. 20.30 Uhr), der deutsche Verleihtitel „Der Verführer lässt schön grüssen“ sagt eigentlich schon alles. Caine bekam für diese Rolle seine erste Oscarnominierung, aber heute bleibt von dem Film nur noch der Burt-Bacharach-Song „What's It All About, Alfie“ in Erinnerung. Ebenfalls ein Nebenwerk ist „The Italian Job“ von 1969 (So. 20.30 Uhr), eine von den Kriminalkomödien, in denen à la „Rififi“ für den größten Teil des Films ein raffinierter krimineller Plan ausgeführt wird. Der Höhepunkt ist wieder mal eine spannende Verfolgungsjagd, die Musik ist immerhin von Quincy Jones.

1971 war Caine dann in der Rolle zu sehen, mit der man ihn in Großbritannien immer noch identifiziert: Als der hippe, zynische und nihilistische Gangster Jack Carter räumt er in der lokalen Unterwelt von Newcastle gründlich auf, weil er den Tod seines Bruders rächen will. Nicht nur der Plot von „Get Carter“ (Sa. 20.30 Uhr, So. bis Di. 18.00 Uhr) erinnert an den tiefschwarzen Avantgardethriller „Point Blank“, den der Brite John Boorman 1967 mit Lee Marvin in Hollywood gedreht hatte: Beide Filme sind inhaltlich und stilistisch ähnlich kompromisslos, vital und ohne moralisches Zentrum. Caine, der auf der Leinwand immer eher kalt, gewitzt und berechnend wirkt, spielt diesen brutalen Schläger – ohne dabei um unsere Sympathie zu buhlen – beängstigend intensiv und absolut glaubhaft. Immernoch seine beste Rolle mit solchen schön fiesen Sprüchen wie „Weißt Du, ich hatte fast vergessen, wie Deine Augen aussehen. Immer noch das Gleiche: Pinkellöcher im Schnee.“ Das peinliche Remake mit Sylvester Stallone aus dem letzten Jahr bestätigt nur Caines Leistung.

Danach war Caine auch in Hollywood ein Star, alleine in den 70ern machte er 22 Film, davon fehlt leider in dieser Filmreihe die Kipling-Adaption „The Man Who Would Be King“ von John Huston aus dem Jahr 1975, in der Caine zum einzigen Mal und mit offensichtlichem Vergnügen neben seinem Konkurrenten Sean Connery spielte. In den 80ern hatte Caine sich dann endgültig als Charakterdarsteller in Hollywood durchgesetzt: Für den melancholischen akademischen Schluckspecht in „Educating Rita“ (Mo. 20.30 Uhr) bekam er eine weitere Oscarnominierung. Prämiert wurde er schließlich für seine Rollen in Woody Allens „Hannah And Her Sister“ und vor zwei Jahren in „The Cider House Rules“ (“Gottes Werk und Teufels Beitrag“). Inzwischen wurde er auch von der Queen zum Sir Michael geadelt.

Ein besonderer Leckerbissen dieser Filmreihe ist die Vorpremiere von Caines neustem Film „Last Orders“ (Di 20.30 Uhr), der erst im Oktober in die deutschen Kinos kommt. In der Adaption von Graham Swifts Roman spielt Caine eine Leiche, deren Urne Bob Hoskins, Hellen Mirren und Tom Courtenay durch den Film tragen, aber in Rückblenden kann Sir Michael endlich wieder einen britischen proletarischen Kotzbrocken spielen.

Wilfried Hippen

Alle Filme laufen in der Originalfassung, Untertitel gibt es nur bei „Get Carter“

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