: Berliner bleiben bei ihren Flughafen-Flausen
Berlin und Brandenburg wollen ihren Großflughafen weiterhin privat finanzieren. Hohe Risiken sollen aber bei der öffentlichen Hand verbleiben
BERLIN taz ■ Wer sich einmal Flausen in den Kopf gesetzt hat, weiß, wie schwer es ist, davon zu lassen. Die private Finanzierung des neuen Berliner Flughafens ist eine solche Flause, von der die Verantwortlichen der Länder Berlin und Brandenburg sowie des Bundes offenbar nicht lassen wollen. Trotz großer Bauchschmerzen und milliardenschwerer Risiken für die öffentlichen Haushalte blieben sie gestern bei ihrer grundsätzlichen Entscheidung, den neuen Airport am Stadtrand privat bauen zu lassen – ein Novum in der bundesdeutschen Verkehrsgeschichte. In offiziellen Verhandlungen mit dem Bewerberkonsortium um den Essener Baukonzern Hochtief und die Bonner Immobiliengesellschaft IVG soll nun eine Verbesserung des Angebots erreicht werden, das Berliner Lokalpolitiker bereits als „unsittlich“ bezeichneten.
Die Prognosen, von der sich Mitte der 90er-Jahre Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und der Berliner Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) überzeugen ließen, klangen zunächst verlockend. Angesichts der Haupstadtrolle Berlins und der Wachstumsaussichten der Flugbranche sahen beide die Zeit für ein internationales Luftdrehkreuz in der Region gekommen. Der moderne Großflughafen sollte die veralteten und zu kleinen Innenstadtflughäfen Tegel und Tempelhof ersetzen, unter denen mehr als eine halbe Million Berliner leiden. Natürlich sollte er auch Aufschwung und Arbeitsplätze in die wirtschaftsschwache Region bringen. Diepgen und Stolpe ließen sich aber vor allem von der Idee beflügeln, mit dem Verkauf eines solchen an sich vernünftigen Infrastrukturprojektes – jede europäische Haupt- und Großstadt besitzt schließlich einen leistungsfähigen Flughafen – ließe sich auch eine Menge Geld verdienen, da die Investoren Schlange stünden. 1996 fiel die Wahl auf den Ausbau des nahen Flughafens Schönefeld, von wo schon Erich Honecker in alle Welt startete.
Die Geschichte der Privatisierung war allerdings von Pleiten, Pech und Pannen geprägt. Kaum hatte der eine Konzern den Zuschlag für das 3-bis-4-Milliarden-Euro-Projekt, klagte die Konkurrenz, weil es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll. Jetzt sitzen die beiden Konzerne, die sich jahrelang bekriegt hatten, in einem Boot und vertragen sich prima – schließlich können sie den öffentlichen Flughafeneignern offenbar jede Bedingung diktieren. Die nach unten revidierten Fluggastprognosen infolge der Konjunkturflaute taten ein Übriges: Der Großflughafen, der 2007 in Betrieb gehen soll, heißt jetzt nur noch „Single Airport“, und Medienberichten zufolge bieten die Investoren gerade noch 122 Milionen Euro dafür.
Gleichzeitig sollen die Haushalte von Berlin, Brandenburg und dem Bund Kosten in Milliardenhöhe für die Infrastrukturanbindung etc. übernehmen, bemängelt der Brandenburger Rechnungshof. 1,3 Milliarden Euro an Kosten könnten so auf die Steuerzahler zukommen. Wenn man schon zahlen muss, kann man den Flughafen gleich ganz in öffentlicher Regie bauen, wird in Berlin argumentiert – trotz der chronischen Finanzkrise. Dass die Privaten ihr Angebot wesentlich verbessern, sei unwahrscheinlich. Für die öffentliche Option muss aber das Privatisierungsverfahren zunächst sauber beendet werden. Eine Chance dafür ist gestern vertan worden – wider besseres Wissen.
RICHARD ROTHER
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