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Kein Vollkasko für Privatvermittler

Gewerkschaft ver.di nimmt Beschäftigte am Arbeitsamt in Schutz  ■ Von Magda Schneider

Die Gewerkschaft ver.di ist von der Debatte über Defizite in der Arbeitsvermittlung genervt: Sie bricht für die MitarbeiterInnen des Hamburger Arbeitsamtes die Lanze: „Das Arbeitsamt ist besser als sein Ruf, und die Beschäftigten werden zu Unrecht zu Sündenböcken gemacht“, schimpft ver.di-Landesvizechef Ulrich Meinecke. „Die Hauruckmaßnahmen, die gegenwärtig unter großem öffentlichen Druck umgesetzt werden sollen, schaden der Restrukturierung des Arbeitsamtes – auch in Hamburg.“

Denn unter den Schlagworten „Vermittlungsoffensive“ und „Arbeitsamt 2000“ liefen innerhalb der Jobvermittlung für die Hansestadt schon seit langem Reformprojekte, das Arbeitsamt zu einem „kundenorientierten Dienstleister“ für Arbeitslose und Firmen umzustrukturieren. „Diejenigen, die diese Reformschritte mit Motivation vorantreiben, fragen sich nun: Warum machen wir das?“, erklärt Meine-cke. Stattdessen werde mit „unseriösen Vorschlägen Stimmung gemacht, mit dem durchschaubaren Ziel, die Arbeitgeber zu entlasten“. Wer von einer „Voll- und Teilkasko“ für Arbeitslose spreche, so Meinecke an die Adresse von CDU-Wirtschaftsenator Gunnar Uldall, verkenne in zynischer Weise die Realität.

Momentan werden neue Wege vorbereitet: „Derzeit betreut ein Vermittler bis zu 700 Personen“, klagt Arbeitsvermittlerin Heike Rumpel: „Pro Tag durchlaufen zu Spitzenzeiten 170 Arbeits- oder Auskunftssuchende ein Kundenbüro, das mit zwei MitarbeiterInnen besetzt ist.“ „Das ist nur ein Abarbeiten, da sind wir todunglücklich drüber.“ In der „Vermittungsoffensive“ werden künftig Erwerbssuchende in Teams in Terminberatung betreut – maximal 150 pro VermittlerIn. Rumpel: „Da bleibt natürlich mehr Ruhe und Zeit für Beratung.“

„Unsinnig“ sei dagegen die momentan durch die hektische Debatte ausgelöste ad hoc-Maßnahme, MitarbeiterInnen aus den Leistungsabteilungen zur Vermittlung abzuziehen, beklagt Eva Brehmer aus der Leistungsabteilung. Der dort nun entstehende Antragsstau gefährde den „sozialen Frieden“ und sei ein „unhaltbarer Zustand“. Fast neun Wochen muss ein Jobloser derzeit auf sein erstes Arbeitslosengeld warten.

Kritisch setzt sich ver.di mit der privaten Jobvermittlung auseinander: „Zusammenarbeit mit externen VermittlerInnen und Bildungsträgern – das ist in Ordnung, aber die Leitung muss beim Arbeitsamtsvermittler bleiben“, fordert Meinecke: „Sonst schöpfen die Privaten nur die Sahne ab.“

Das sieht Rumpel aus Erfahrungen bestätigt. „Diejenigen, die ein Handicap haben, sind für Private nicht lukrativ – Schwer- und Schwerstvermittelbare, geringfügig Qualifizierte und Langzeitarbeitslosen bleiben auf der Strecke.“ Für abstrus hält Meinecke Vorschläge, für die private Jobvermittlung eine Courtage wie beim Wohnungsdeal zahlen zu müssen. „Das verstößt gegen den Grundsatz des Sozialstaatsprinzips“, warnt Meinecke.

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