: Protest als Fälschung
Presseerklärung, die keine war, kritisiert HAB-Modell zum Arbeitszwang. Beschäftigungsträger verabschieden „Hamburger Appell“ ■ Von Kaija Kutter
Einen ungewöhnlichen Brief hatten Hamburgs Medien gestern in der Post. Unter der Überschrift „Wir haben uns geirrt!“ teilt der Beschäftigungsträger Hamburger Arbeit (HAB) mit, er werde einen „Paradigmenwechsel“ seiner bisherigen Arbeit vollziehen und das Programm „Tariflohn statt Sozialhilfe“ aufgeben. Der Zweck der städtischen Gesellschaft, die 1983 gegründet wurde, um SozialhilfeempfängerInnen eine freiwillige und sozialversicherte Beschäftigung anzubieten, sei deshalb „neu zu entscheiden“. Dabei müssten wichtige Grundprinzipien aufgegeben werden, wie die „freiwiliige Arbeitsaufnahme“, die „sozialversicherungspflichtige Beschäftigung“ und die „tarifliche Entlohnung“. Die HAB dementierte gestern flugs: „Die Presseerklärung kommt nicht von uns“, stellte HAB-Sprecherin Heike Baumann klar.
Wie berichtet, hat Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) die HAB angewiesen, die Gehälter auf 980 Euro Brutto zu senken und zudem eine Prüfphase von drei Monaten einzuführen, in denen die Teilnehmer nur Sozialhilfe und eine „Mehraufwandsentschädigung“ von einem Euro pro Stunde bekommen. Lehnen die Betroffenen dies ab, soll ihnen die Sozialhilfe gekürzt werden.
Die Sache ist noch nicht endgültig entscheiden. Es muss erst noch der Aufsichtsrat der HAB auf seiner Sitzung am 11. April zustimmen. Bis dahin, so Baumann, werde sich die HAB nicht äußern.
Von wem diese Fälschung betrieben wurde, könne sie nicht sagen. Möglicherweise gibt es eine Unzufriedenheit in der Trägerszene mit der passiven Haltung des HAB-Riesen, der, im Unterschied zu den kleinen Trägern, seine Kürzung von 5 Millionen Euro offenbar rein über Lohnsenkung bei den Zielgruppen erbringen und seine 250 Stammstellen retten kann (siehe Bericht unten).
So wurde ebenfalls gestern von 25 VertreterInnen der Beschäftigungsträger ein „Hamburger Appell“ veröffentlicht, der sich gegen den „Zwang zur Arbeit für Sozialhilfe“ wendet und eine Rücknahme der geplanten Lohnabsenkungen für alle Beschäftigungsmaßnahmen fordert. Denn neben den Stellen für SozialhilfeempfängerInnen werden auch die von Arbeitsamt finanzierten ABM-Stellen in vier Gruppen pauschaliert und im Schnitt um 250 Euro gesenkt, so dass ABM-Beschäftigte in die Sozialhilfe gedrängt würden. Das Job-Aqtiv-Gesetz des Bundes, so heißt es in dem Appell, sehe vor, dass Träger zwischen der alten Zuschussregelung und der pauschalierten Förderung frei wählen könnten. Zudem sehe es einen Metropolenzuschlag von 10 Prozent vor, der auch für das teure Hamburg angemessen sei. Diesen sollen jedoch nur AnleiterInnen und Alleinerziehende bekommen.
Der gestrige Fake-Brief könnte jedoch auch aus der HAB selbst kommen. Wird darin doch auch die Befürchtung geäußert, dass die Umsteuerung zur „Steigerung der Sozialhilfeausgaben“ führen werde, weil es nicht mehr wie bisher gelänge, 90 Prozent der Teilnehmer aus der Sozialhilfe zu lösen. Dies könne, so heißt es in dem Text, durch „mittelfristige Einsparungen“ bei den Stammmitarbeitern kompensiert werden.
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