: Ende einer Bundesrepublik
Anstelle Jugoslawiens soll es künftig einen neuen Staatenbund namens „Serbien und Montenegro“ geben. Der soll einen gemeinsamen Präsidenten haben, Wirtschaft und Währungen bleiben getrennt
aus Belgrad ANDREJ IVANJI
Seit Donnerstag gibt es die Bundesrepublik Jugoslawien nicht mehr. Der neue Staatsbund soll „Serbien und Montenegro“ heißen, einen Sitz in der UN, eine gemeinsame Sicherheitspolitik und einen Präsidenten behalten. Die Wirtschaftsmärkte und das Zollsystem sind getrennt. Montenegro behält vorerst den Euro, Serbien den Dinar als Währung.
Die beiden Teilrepubliken verpflichteten sich, in den kommenden drei Jahren nicht gegen den gemeinsamen Staat zu wirken. Nach dieser Periode kann der Status des Bundes neu definiert werden. Sollte sich Montenegro loslösen wollen, bleibt Serbien der rechtliche Nachfolger des gemeinsamen Staates.
Auf diese Kompromisslösung einigten sich die Vertreter der beiden Teilrepubliken und Bundespräsident Vojišlav Koštunica unter der Vermittlung des EU-Beauftragten für Außenpolitik, Javier Solana, gestern nach zwölfstündigen Gesprächen in Belgrad. Trotz vieler Streitpunkte wollte Solana in der Nacht zu Donnerstag nicht locker lassen: Wenn die beiden Parteien auch künftig auf die Unterstützung Europas rechnen wollten, sollten sie sich gefälligst auf eine Lösung vor dem EU-Ministertreffen am Freitag in Barcelona einigen.
Zufrieden mit dem Abkommen schienen am Ende nur Solana und Koštunica zu sein. „Diese Vereinbarung soll als Grundlage für die zukünftige gemeinsame Verfassung dienen“, erklärte Koštunica und lobte die Kooperationsbereitschaft des montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanović, der seine Uanbhängigkeitsbestrebungen aufgeben musste. Es handle sich dabei weder um eine lockere Föderation noch um eine Konföderation, meinte Koštunica, sondern um eine „neue und originelle Lösung“. Natürlich müssten sich zunächst die beiden Landesparlamente und das Bundesparlament zu diesem „politische Dokument“ äußern, dann sollen eine Verfassung verabschiedet und im Herbst neue Wahlen für gemeinsame Institutionen ausgeschrieben werden.
Im Gegensatz zu Koštunica wirkte Jugoslawiens Vizepremier Miroljub Labus mürrisch. Man habe sich auf eine Konföderation mit getrennten Märkten geeinigt, meinte er. Der Wirtschaftsraum und die verschiedenen Währungen müssten durch die Vermittlung und Kontrolle der EU in absehbarer Zeit in Einklang gebracht werden. Am wichtigsten sei im Moment, dass Reformen und die Annäherung Serbiens und Montenegros an Europa nicht verzögert würden. Serbiens Premier Zoran Djindjić sprach von einer politischen Lösung, die die „Realität widerspiegelt“. Man müsse gemeinsame Institutionen aufbauen und alle EU-Kriterien erfüllen. Gemeinsames Ziel Serbiens und Montenegros sei, ein gleichberechtigter Teil der EU zu werden. Die Vereinbarung garantiere einen „schnellen Weg“ nach Europa.
Der neu definierte Status des Bundes „Serbien und Montenegro“ schafft viele Probleme nicht aus der Welt. Das in Serbien regierende Bündnis DOS ist de facto zerfallen. Djukanović, der seine politische Existenz mit der Unabhängigkeit Montenegros verknüpft hat, wird sich kaum an der Macht halten können. Das von ihm angekündigte Volksbegehren über die Unabhängigkeit wird wohl um drei Jahre verschoben werden müssen.
Vor allem bleibt jedoch unklar, wie der Bund der zwei Teilrepubliken funktionieren, wie die Gleichberechtigkeit des zehnmal kleineren Montenegro in den gemeinsamen Institutionen garantiert werden sollen. Für die EU ging es vor allem darum, neue Grenzziehungen auf dem Balkan zu vermeiden. So ist nach Bosnien ein neues künstliches Staatsgebilde mit ungewisser Zukunft im Entstehen.
meinung SEITE 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen