piwik no script img

Was zum Wärmen

Katrin Achinger kommt mit ihrer neuen Platte „Jump (without a warning)“ im Gepäck in die Tanzhalle  ■ Von Barbara Schulz

Wenn es draussen bitterkalt ist, bleibt man lieber drinnen, kocht sich einen Kaffee, wärmt sich am Ofen und lauscht neuen Klängen. Und wird verwirrt: „The rainbow serpent lies curled up in my ass/And when she awakes/She reaches down between my Legs/For earth contact/And beyond/For caves filled with gold/And information/What are we here for?“ Dies fragt Katrin Achinger in der ersten Strophe aus „Talkin Mo Nature“, dem (auch dank des CD-Samplers einer bekannten Musikzeitschrift) wohl bekanntesten Stück ihrer gerade erschienenen zweiten Platte Jump (without a warning).

Verschwurbelte und phantasievolle Zeilen, die diese unsre Welt meinen, aber vielleicht von einem anderen Planeten stammen. Auf der Suche nach Aufklärung kocht man sich noch einen Kaffee und hört der ganzen Platte zu. Konzentriert natürlich, also zwischen den Lautsprechern sitzend oder mit Kopfhörern auf, aber auf jeden Fall mit geschlossenen Augen, und dann merkt man, dass Katrin Achinger, die auch als Hörspielautorin und Vorleserin tätig ist und, wie allseits bekannt sein dürfte, eine Hälfte der seit den 80er Jahren (und, um genau zu sein, bis 1996) existierenden und Kultstatus genießenden Band Kastrierte Philosophen, irgendwie nicht von dieser Welt sein kann.

Im Geiste sieht man eine feenartige Frau Achinger barfuß durch den Wald gleiten, über weiches feuchtes Moos schwebend oder über knospende Zweige springend, dabei mit ihrer schönen Stimme, die ein bisschen wie Marianne Faithfull (aber jünger) und Nico (aber irgendwie fröhlicher) klingt – oder wie Diedrich Diederichsen Ende der 80er Jahre formulierte: „Das Mädchen mit der Stimme, für die eine Aufnahmetechnologie erst noch erfunden werden muss“ – eine spielerische, verträumte Melodei summend.

Ihre Musik könnte also eine Art düstere Feen-Musik sein. Dieser Eindruck wird jedoch konterkariert durch die Bodenständigkeit der mitwirkenden Musiker (unter anderem Mitglieder der Absoluten Beginner, aber auch der einstige La Monte Young-Mitstreiter Charles Curtis) und des Produzenten Matthias Arfmann (ja, genau, die zweite Hälfte der Philosophen, mittlerweile als Patrice- und Jan Delay-Produzent zu Ruhm gekommen und kurz vor der Veröffentlichung einer Soloplatte namens Dub Decade), die die schwerelosen Lyrics guterdings mit flottem Dub oder Sitarklängen, nordafrikanischer Musik oder hypnotischen Loops verfeinern, schlechterdings aber auch mal zu tief in die Schublade „unterirdischer Funk mit Heavy Gitarren-Gekreische“ greifen.

Bleibt abzuwarten, wer am Sonntag dabei sein wird, wenn Katrin Achinger in der Tanzhalle auftritt. Wer das Glück hatte, sie vor ein paar Jahren im Rahmen der Tour des Stolz & Vorurteil-Samplers des Flittchen-Labels auf der Bühne zu erleben, erinnert sich gern an die charmante und eine gute Prise sarkastischen Humors schätzende Künstlerin, die selbst den ungemütlichsten Raum mit ihrem Charisma und ihrer Stimme zu erwärmen weiß. Genau das richtige in Zeiten wie diesen. Seufz. Schnell zurück an den Ofen.

Sonntag (mit Ralf 10/100 und Stanley Ipkiss), 21 Uhr, Tanzhalle

Jump (without a warning) ist auf Normal Records erschienen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen