DIN-tauglich: Der dritte Blick
■ Martinshof ließ sich von Externen begutachten – und wurde belohnt
„Das muss man sich erst mal trauen“, sagt Wilfried Hautop Geschäftsführer der Werkstatt Bremen über die Aufgabe, die Beschäftigten zu befragen. Nach den Arbeitsbedingungen und nach ihrer Zufriedenheit damit. Trauen mussten sich Hautop und seine Mitarbeiter, weil sie nicht wussten, womit sie zu rechnen hatten – denn bis dahin hatten sie wenig Ahnung, was die Beschäftigten vom Martinshof hielten.
Qualitätsmanagement heißen neudeutsch Anstrengungen wie diese, die Betriebe unternehmen, um ihre Potenziale besser zu nutzen. Wenn sie das nach bestimmten Normen tun und das von externen Fachleuten begutachten lassen, bekommen sie dafür ein Zertifikat.
Das hat jetzt auch der Martinshof bekommen – zum dritten Mal bereits und längst nicht mehr für die inzwischen zwei Jahre alte Beschäftigtenbefragung. Weil Hautop und Co. so stolz auf den erneuten Erfolg sind, luden sie gestern zu der Schein-Übergabe bei Kaffee und Keksen in die just bezogenen Räumen des Büro-Service in der Bischoffstraße im Viertel.
Anders als rein marktwirtschaftlich orientierte Unternehmen, für die das begehrte Qualitäts-Zertifikat oft als zusätzliche Werbung dient, ging es dem Martinshof mit seinen 27 Einrichtungen mehr darum, einem längst angelaufenen Prozess nochmal den richtigen Drive zu geben. Das war den Martinshöflern knapp 7.500 Euro wert – so viel kostet die „Qualitäts-Zertifizierung gem. DIN EN 9001:2000“.
„Wir wollten ganz bewusst Dritte den Prozess begutachten lassen“, begründet Wilfried Hautop das Projekt, das sich auch mit einem Handbuch über Qualitätsmanagement hätte bewerkstelligen lassen. Aber nicht so gut, sind sich Hautop und seine Mitarbeiter sicher.
Beispiel Büro-Service: Hier arbeiten 22 Menschen, die psychisch krank sind. Auf dem ers-ten Arbeitsmarkt haben sie wenig Chancen, hier bannen sie meterweise Firmendokumente auf Mikrofilm, üben Word und Exel oder bearbeiten Schreibaufträge für die Bremer Staatsanwaltschaft und andere. Die Arbeitsplätze sind ergonomisch gestaltet, der Datenschutz auf dem allerneuesten Stand, die Kunden wurden um eine Bewertung gebeten – nur drei Faktoren, für die es diesmal das Zertifikat gibt. Es gehe auch darum, sagt die Qualitätsmanagement-Beauftragte Elke Berndt, mit den DIN-Normen Kriterien zu bekommen, die für alle gültig sein können – sozusagen ein verbindliches Normengerüst zwischen Menschen, die sich oft auf sehr unterschiedlichen Ebenen bewegen.
Die Konsequenzen aus der Beschäftigtenbefragung ziehen die Leute vom Martinshof noch heute. Damals gab es Kritik an der Gestaltung der Pausenräume – sie sind inzwischen schöner geworden. Und noch etwas ist aus der Befragung von einst entstanden. Irgendwann kamen die Leute vom Martinshof drauf, dass längst nicht alle Beschäftigten die Speisepläne lesen können. In Kürze sollen die Pläne nicht nur mit Text, sondern auch mit Bild erstellt werden. „Das ist dann zwar kein Versprechen, dass es auch so schmeckt wie es aussieht“, sagt Elke Berndt, „aber dennoch eine Verheißung.“ sgi
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