herr tietz macht einen weiten einwurf: FRITZ TIETZ über Schiedsrichter und Ränge-Pöbler
11 kleine Kickerlein
Der ehemalige Schiedsrichter und amtierende Leiter des Hoffmann & Campe Verlags, Rainer Moritz, hat gerade frisch ein recht unterhaltsames Fußball-Büchlein herausgegeben, darin er allerlei krude Schnurren, abseitige Betrachtungen und launige Erzählungen über etliche kleine und einige große Sternstunden der Fußballgeschichte versammelt hat (Rainer Moritz: „Vorne fallen die Tore – Fußballgeschichte(n) von Sokrates bis Rudi Völler“, erschienen bei Kunstmann). Darunter sind (was wegen der Schiedsrichtervergangenheit des Herausgebers allerdings nicht groß verwundert) auch einige interessante Schiedsrichter-Begebenheiten. Deren interessanteste aber ist zweifellos die Stellungnahme des Randersacker Unparteiischen Hermann Knoblauch, die dieser zum Abbruch des Verbandsspieles TSV Obernbreit gegen SV Gelchsheim am 18. November 1990 verfasste:
„In der 66. Minute stellte ich den Spieler Nr. 3 Heimann von Gelchsheim wegen heftigen Reklamierens für 10 Minuten vom Platz. Im gleichen Augenblick kam die Nr. 6 Pellet von Gelchsheim auf mich zu und schrie mich an, ‚das ist doch eine Frechheit‘. Ihn schickte ich auch gleich für 10 Min. mit vom Platz. Der Spieler Nr. 4 Weißkopf von Gelchsheim kam auch zu mir und sagte ‚Du kannst mich auch gleich vom Platz stellen‘, was ich auch ausführte. Zirka in der 70. Minute, während des laufenden Spiels, bekam plötzlich ein Zuschauer einen Tobsuchtsanfall und rief laut und unmißverständlich: ‚Du Drecksau gehörst erschlagen, Du schwarze Sau gehörst geschlachtet, Du Drecksack kriegst dei Fuhr, du Idiot, wo hast Du Deine Prüfung gemacht, wir müssen uns immer mit solchen Deppen abgeben.‘ Das sind nur einige Ausdrücke, die ich notierte.
Bei der nächsten Spielunterbrechung rief ich den Spielführer Nr. 5 Ortwein von Gelchsheim und bat ihn, er möge mir den Namen dieses Zuschauers geben, denn dieser Zuschauer war vorm Spiel in der Kabine von Gelchsheim und hatte auch in einer Plastiktüte die Wertsachen der Mannschaft. Auch in der Halbzeit war diese Person bei der Mannschaft, somit muß er den Spielern bekannt sein. Spielführer Nr. 5 gab mir zur Antwort, er kenne den Zuschauer nicht, worauf ich ihn nach Bedenkzeit und Drohen mit roter Karte vom Platz stellen würde. Nach der Bedenkzeit von ca. 2 Minuten stellte ich ihn vom Platz. Dieses Spiel wiederholte sich mit: Nr. 1 Müller Klaus, Nr. 2 Berger Andreas, Nr. 9 Hochfeld Frank, Nr. 13 Schiek Jan, Nr. 8 Fach Stefan, Nr. 10 Hammer Armin und Nr. 7 Hahn Jürgen. Diese Aktion dauerte ungefähr 8 Minuten, da alle Spieler sich einig waren und zueinander sagten, ‚Wir sagen den Namen nicht‘. Der Zuschauer verließ in der Zwischenzeit das Sportgelände. Da kein Spieler mehr von Gelchsheim auf dem Spielfeld war, war das Spiel zu Ende.“
Eine Episode, die es gerade in den aktuellen Zeiten der fortgesetzten Benörgelung und immer vehementeren Infragestellung von Schiedsrichtern und deren Leistungen verdient hat, erzählt zu werden. Möge sie allen, auch höherklassig pfeifenden, Referees Anregung und Ermutigung sein, weiterhin und kaltblütig die Tatsachenentscheidung und nichts als die Tatsachenentscheidung zu suchen – keinen Fußbreit der Zeitlupenwiederholung und dem Fernsehbeweis! Und bitte auch konsequenter gegen pöbelnde Zuschauer vorgehen, wie es der Sportkamerad Knoblauch so vorbildlich demonstrierte. Das gilt vor allem für Pfälzer und erst recht dann, wenn man es mit einem so übel aufgeheizten pfälzischen Mob zu tun hat wie vom letzten Sonnabend auf dem Betzenberg beim Spiel des 1. FC Kaiserslautern gegen Bayern München. Einfach ultimativ einen Spieler nach dem anderen vom Platz stellen, bis die Namen aller Ränge-Pöbler ermittelt sind. Das Spiel vom Betzenberg wäre so vermutlich schon zur Halbzeit beendet gewesen.
Fotohinweis:Fritz Tietz, 43, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.
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