Finke sammelt Fäkalien

Nach dem 1:5 gegen Borussia Dortmund hofft man beim SC Freiburg für die Zukunft auf die Vermeidung übelster Fehler, Gesundung von Stammpersonal und Verständnis in der Bevölkerung

aus Freiburg FRANK KETTERER

Um zu sehen, welch tiefe Spuren Abstiegskampf hinterlässt, bedurfte es nur eines Blickes auf Volker Finke. Niedergeschlagen und sichtlich geknickt wirkte der Freiburger Fußball-Lehrer am noch gar nicht so späten Sonntagabend, müde und leer beinahe. Jedenfalls sagten das seine Augen, in denen sich alle Sorgen und Nöte widerzuspiegeln schienen, die dem Trainer und seinem SC Freiburg in diesen Tagen und Wochen das Leben so schwer machen. Und dazu formulierte der 53-Jährige Sätze wie diesen: „Wir sammeln im Moment alles, was man an Scheiße sammeln kann.“ Die Folge davon ist nach dem achten Spiel ohne Sieg mühelos an der Tabelle abzulesen, als Sechzehnter werden die Badener da auch nach dem 27. und somit achtletzten Spieltag geführt.

Mit einer 1:5-Heimpleite gegen Borussia Dortmund kann man sich im Ranking eben nicht verbessern. Und was Finkes Theorie mit der Fäkalie angeht, lassen sich da nun wirklich unschwer Belege für finden, nicht nur nach dem bitteren Sonntagskick. Das ewige Verletzungspech zum Beispiel, das den Freiburgern längst zum treuen Begleiter geworden ist in dieser Saison und vor der Partie am Sonntag gegen die Borussia aus Dortmund auch noch Stammtorhüter Golz (Muskelabriss) sowie die Offensivkräfte Sellimi (Meniskuseinriss) und Tanko (Riss des vorderen Kreuzbandes) ereilt hatte, was selbst die Freude über die Rückkehr von Abwehrspieler Diarra deutlich trübte.

Oder die Schiedsrichterentscheidungen, die mit unglücklich noch gnädig umschrieben sind: Vor 14 Tagen gegen Leverkusen hatte der Mann in Gelb zwei Treffer wegen Abseitsverdacht versagt. Am Sonntag gegen Dortmund übersahen Herr Fandel aus Kyllburg und seine Kollegen am Seitenaus eine grobe Unsportlichkeit von Borussen-Keeper Jens Lehmann, der in der 20. Minute gegen den heranstürmenden Coulibaly jedwede Fassung verlor und übelst nachtrat. „Normalerweise spielen wir ab diesem Zeitpunkt in Überzahl“, analysierte Finke später, weil es für die Brutalo-Einlage nur eines hätte geben dürfen, wie DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Eugen Strigel schon in der Pause zu Protokoll gab: „Rote Karte für Lehmann und Elfmeter für den SC.“ Dass sich Schiedsrichter (Fandel: „Es tut mir Leid, dafür gibt es keine Entschuldigung. Das muss einer von uns drei sehen.“) wie Täter (Lehmann: „Im Affekt trete ich zu. Das darf nicht passieren.“) anschließend für ihre Fehlleistungen entschuldigten, konnte den Freiburgern später kaum Trost spenden. Ebenso wenig wie der Umstand, dass sich der DFB-Kontrollausschuss wohl noch mit dem Fall Lehmann beschäftigen wird. Da Fandel die Unsportlichkeit übersehen und gar nicht gepfiffen hatte, liegt keine Tatsachenentscheidung vor und somit die Möglichkeit, Lehmann mittels Fernsehbildern auch noch nachträglich aus dem Verkehr zu ziehen.

Beinahe ebenso sehr wie die Verfehlungen der Herren L. und F. ärgerte sich Finke hernach aber über die Dortmunder Führung, die Dede in der 64. Minute mit dem 1:2 erzielte. „So ein katastrophaler Fehler nervt natürlich“, schimpfte der Trainer, zumal er in ziemlich identischer Form schon gegen Leverkusen zu einem Gegentor geführt hatte. Dass in seiner Entstehungsgeschichte erneut Tobias Willi eine zentrale Rolle spielte, machte Finke noch zürnender. „Einfach zum Kotzen“ fand der Trainer das, den Anfang vom bitteren Freiburger Ende am Sonntag aber läutete Dedes Treffer auf jeden Fall ein, weil die Dortmunder quasi im Minutentakt nachlegten, was Finke von einer „Auszeit im Kopf der Spieler“ sprechen ließ und von „psychologischer Contenance“, die man vorübergehend, exakt sechs Minuten lang, verloren habe. Eine Stunde lang war zuvor nicht zu erkennen, wer um die Meisterschaft spielt und wer gegen den Abstieg, so vehement und spielstark hatten die Freiburger da mitgewirkt. Das wiederum sei in der schwierigen Situation, in der die Mannschaft seit Wochen stecke, gar nicht so verwunderlich. „Es gibt einfach Tore, die sind mehr als ein Tor“, outete Finke zum Schluss deshalb das 1:2 nochmals ausdrücklich als den Genick brechenden Moment des Spiels. Mehr noch: „Ob es dann 1:2 oder 1:5 ausgeht, ist doch scheißegal“, schob er nach.

Das wiederum dürfte feine Trainer-Psychologie sein, die zum einen der gebeutelten Mannschaft suggerieren soll, dass sie so schlecht nicht wirklich ist, wie das nackte 1:5 glauben macht (was durchaus auch stimmt), zum anderen den Fans das Gefühl vermitteln soll, dass ihr Team keineswegs im Begriff ist, sich aufzugeben oder gar auseinander zu brechen. So hielten sich die Pfiffe von den Rängen im Stadion an der Dreisam diesmal durchaus in Grenzen, was Finke als Beleg wertet dafür, dass die Menschen im Breisgau „Verständnis für unsere schwierige Lage“ haben. Und mit Hoffnung spendenden Worten belohnt: „Wir haben schon größere Rückstände aufgeholt.“

SC Freiburg: Reus - Diarra, Müller - Zeyer, Kondé - Willi (65. Zkitischwili), Kobiaschwili, But, Kruse - Iaschwili (65. Bruns), Coulibaly (87. Dorn) Borussia Dortmund: Lehmann - Reuter (71. Kohler), Wörns, Metzelder, Dede - Ricken, Rosicky, Kehl - Evanilson, Koller (77. Ewerthon), Addo (60. Amoroso)Zuschauer: 25.000, Tore: 1:0 Kobiaschwili (9.), 1:1 Evanilson (15.), 1:2 Dede (64.), 1:3 Amoroso (66.), 1:4 Koller (69.), 1:5 Koller (70.)