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Das Schlimmste sind die Helden

Greifbar bleibt nur der Sonnenaufgang über der Wüste: In seinem Reiseroman „Tigerbucht“ schildert der portugiesische Publizist Pedro Rosa Mendes entlang von Biografien den Irrsinn des angolanischen Krieges

Angola ist wieder aktuell – der Tod des Rebellenführers Jonas Savimbi hat einen der längsten und brutalsten Kriege der Welt erneut zum Thema gemacht. Es ist ein Krieg, der sich der herkömmlichen politischen Analyse entzieht. Seine Dynamik ist zu grausam, zu widersprüchlich und zu vielfältig. Wer Angola verstehen will, sollte lieber auf Literatur ausweichen, zum Beispiel auf „Tigerbucht“, den Angola-Reiseroman des portugiesischen Publizisten Pedro Rosa Mendes.

„Tigerbucht“ ist eine Sammlung teils realer, teils surrealer Geschichten aus dem angolanischen Krieg. Pedro Rosa Mendes, einer der Gründer von Portugals intellektuell führender Zeitung Público, reiste im Sommer 1997 nach Angola, um Afrika von West nach Ost auf dem Landweg zu durchqueren. Das waghalsige Vorhaben trieb ihn in die unzugänglichsten Regionen Angolas, und er verbrachte dort gezwungenermaßen mehr Zeit als geplant.

Einen Sinn können die Angolaner, die er trifft, in seiner Reise nicht entdecken. Dass sie ihn zum Teil offensichtlich für verrückt halten, erleichert ihm den Zugang zu einem ebenso verrückten Land. Bei einer Lesung in Berlin wies Pedro Rosa Mendes auf die Besonderheit Angolas im Vergleich zu anderen Kriegsländern hin: Der Krieg ist älter als die meisten Einwohner, daher hat niemand in Angola eine Erfahrung von Normalität. Die gesellschaftlichen und mentalen Bezugspunkte, aus denen sich Frieden bauen ließe, sind einfach nicht vorhanden. Der Normalzustand ist, wie es im Buch heißt, „die Erfahrung des Wahnsinns“.

Daher sind die Biografien, die einen Großteil des Buches ausmachen, alle irrsinnig und alle logisch. „Vierzehn Jahre Kampf haben Domingos gelehrt: das Schlimmste am Krieg sind die Helden“, beginnt die Geschichte von Domingos Pedro, einem 31-jährigen Flüchtling. „Die nächsten Angehörigen sind irgendwo abhanden gekommen“, er selbst schloss sich mit zwölf Jahren der Regierungsarmee an und mit neunzehn den Rebellen. Nach weiteren sieben Jahren floh er nach Sambia, jetzt schmuggelt er Menschen und Diamanten und überlebt, irgendwie. „Domingos muss seine Intelligenz verfluchen, ganz offensichtlich quält es ihn, zu sehen, was das Leben aus ihm gemacht hat“, schreibt Mendes. „Wie soll man die Vergangenheit heilen, solange die Gegenwart unklar ist?“

Domingos ist noch eine der normalsten Figuren in diesem Buch und diesem Krieg. Die tanzenden Krüppel, die verlorenen Generäle, die Fahrer kaputter Lastwagen in einem Busch ohne Straßen – sie sind typischer und ferner zugleich. Greifbar bleibt nur die unmittelbarste Realität. „Wenn ich aufwache aus der Wüste“, schreibt Mendes, „werde ich die Veränderung im Sand wahrnehmen, an seinem Windgeruch, nur daran. Das Abendgebet wird das Morgengebet sein. Das warme Licht wird als kaltes Licht aufgehen. Der Sand ist ein anderer als gestern, als gerade noch. Das Zentrum des Nichts hat sich bewegt, und diese Vorstellung von Bewegung, unter diesen Umständen, ist tröstlich.“

Die Tigerbucht liegt übrigens gar nicht auf Mendes’ Route. Die Baía dos Tigres, nach den dort gefundenen Tigerhaien benannt, liegt im Südwesten Angolas nahe Namibia und war einst portugiesische Fischerkolonie. Diese Fischer waren auch Hundezüchter, heißt es. Die Portugiesen steckten einen schwitzenden Schwarzen in einen Käfig, um Hunde anzulocken. Der Käfig wurde verschlossen, wenn die Hunde drin waren. „Da saß dann der Mann die Nacht über zusammen mit einem Hund, dem der Geifer vorm Maul stand vor lauter Bellen. Es war nicht gefährlich, er war ja sicher, da, wo er war.“ In Angola eben. DOMINIC JOHNSON

Pedro Rosa Mendes: „Tigerbucht“. Ammann Verlag, Zürich 2001, 414 S., 22 €

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