Jenseits der Burka

Die afghanische Frauenministerin und die Organisation Rawa kämpfen getrennt für die Frauen Afghanistans

BERLIN taz ■ Die Wiener Sozialwissenschaftlerin Edit Schlaffer ist voll des Lobes. Die afghanische Untergrundfrauenorganisation Rawa („Revolutionary Association of Women in Afghanistan“) sei eine „postmoderne Widerstandsgruppe“, sagte Schlaffer gestern in Berlin bei der Vorstellung ihres Buches „Die Politik ist ein wildes Tier“, das sie mit Cheryl Benard und Asifa Houmayoun über die Organisation geschrieben hat. Die Rawa-Frauen seien eine „einmalige Bewegung“, die als „Barfußjournalistinnen“ CNN und BBC mit Bildern über die Unterdrückung der Frauen unter den Taliban gespeist und mit Hilfe des Internets gar das „Parkett der Außenpolitik verändert“ hätten.

Auf die Frage nach der Relevanz von Rawa in Afghanistan fällt Schlaffer dann allerdings nur deren Öffentlichkeitsarbeit in den afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan ein und der Verweis, dass es eine Untergrundorganisation sei. Die Frauenministerin der afghanischen Interimsregierung und Vizeregierungschefin, Sima Samar, die auf der gleichen Buchpräsentation für die Unterstützung afghanischer Frauen wirbt, ist da deutlicher. „Mich verbindet mit Rawa leider nichts“, sagt Samar. Rawa lehne die Zusammenarbeit mit der Regierung ab. Wie beurteilt sie Rawas Relevanz? „Die Frauen auf der Straße kennen Rawa nicht,“ sagt Samar. Da es in Afghanistan keine Internetzugänge gebe, würden die Frauen die im Ausland Schlagzeilen machende Organisation nicht kennen, so die Ministerin. In Afghanistan selbst gebe es viele Organisationen, die für Frauen arbeiten, meint Samar, und kritisiert damit indirekt den einseitigen Focus auf Rawa im Ausland.

„Für mich ist es wichtig, dass meine Arbeit im Land akzeptiert wird“, sagt die Ministerin. Die stellt sie als sehr bodenständig und nicht allein an den Frauen orientiert dar. Zunächst gehe es darum, die Rechte der Frauen, die sich aus der wieder eingeführten Verfassung von 1964 ableiteten, bekannt zu machen. Dazu Schlaffer versöhnlich: Auch Österreichs Frauenbewegung hätte dem Frauenministerium zunächst feindselig gegenüber gestanden, als dies in den 80er-Jahren eingeführt worden sei. SVEN HANSEN