: Rechter E-Mail-Auflauf
■ Vier Tage lang diente die Homepage der Stadt Bremen als Forum für rassistische Äußerungen. Die Online-Redaktion: „Ein peinliches Versehen“
Die offenen Diskussions-Foren bei Bremen-Online sind beliebt: Weit mehr als 200 neue Beiträge trudeln täglich auf den elektronischen schwarzen Brettern ein. Immer wieder finden sich darunter auch Nachrichten mit beleidigendem, sexistischem oder rassistischem Inhalt. „Multi-Kulti? Nein Danke!“, lautete die Überschrift, unter der Unbekannte vier Tage lang über Moslems im Speziellen und Ausländer im Allgemeinen herzogen. Auszug aus den wenig zitierfähigen Worten: "Die richtigen Moslems schätzen ihre Frauen ja nicht wirklich, ficken, Kinder bis zum Abwinken bekommen (...) ihr poppt ja auch alles, was bei 3 nicht auf den Bäumen ist. Und so wie ihr euch vermehrt, das ist ja nicht mehr schön.“ Holm Triesch, beim Finanzsenator verantwortlich für die Redaktion der Seiten, bekennt: „Wir können uns nicht alles vorher anschauen.“
Normalerweise werden die neuen Beiträge von Triesch oder einem seiner beiden Mitarbeiter mehrfach pro Tag durchgesehen – selbst am Wochenende. Regelmäßig weisen auch Nutzer der Foren die Redaktion auf anstößige Postings hin. Im Normalfall wird der Text dann gelöscht, in schweren Fällen auch die E-Mail-Adresse des Absenders gesperrt. Diesmal setzte die Kontrolle anscheinend aus. „Das habe ich noch nicht gesehen“, gesteht Triesch entsetzt und verspricht: „Den sperre ich sofort.“ Minuten später ist die ganze rund 30 Beiträge umfassende Diskussionskette aus dem Netz verschwunden.
Rechtlich muss der Anbieter eines Online-Forums „in zumutbarer Weise“ dafür Sorge tragen, dass sein Dienst nicht zur Verbreitung strafrechtlich relevanter Äußerungen benutzt wird. Dass tatsächlich die Staatsanwaltschaft wegen eines Beitrags auf Bremen Online ermittelt hat, kam laut Triesch bisher jedoch nicht vor. Zudem wäre selbst dann nicht sicher, ob der Verfasser eines entsprechenden Textes über seine E-Mail-Adresse überhaupt ausfindig gemacht werden könnte. Da hilft auch die Anfang September eingeführte Sicherung gegen Diskussionsbeiträge mit falschem Absender nicht viel. „Jeder weiß doch, dass man sich innerhalb von Minuten eine Adresse unter einem falschen Namen einrichten kann“, sagt Triesch.
65 E-Mail-Adressen haben die Bremer Bretter-Wächter seit September bereits gesperrt, etwa 20 Beiträge fallen der Zensur der Online-Redaktion pro Monat zum Opfer. In erster Linie handelt es sich dabei um kommerzielle Werbung und Beleidigungen, erst danach kommen sexistische Inhalte. Rassistische Äußerungen stehen zahlenmäßig ganz am unteren Ende des Streich-Rankings. Triesch: „Das kommt zwar immer wieder, aber im Vergleich gesehen nur selten vor.“
Um den Überblick über das Treiben in seinen netzgestützen Quassel-ecken nicht zu verlieren, greift etwa Radio Bremen Online auf ehrenamtliche ModeratorInnen zurück. Zwei davon sind je einem schwarzen Brett zugeordnet, zusätzlich kümmert sich eine Vollzeitkraft um die Einhaltung der „Hausordnung“. Man lösche regelmäßig etwa fünf Prozent der eingehenden Nachrichten, berichtet Nadine Portillo, bei Radio Bremen Online für die „Community“ verantwortlich. Auch dass Nutzer gesperrt würden, komme vor – „und zwar nicht zu knapp“.
Triesch weiß, dass es bei dem Internetangebot Bremen Online nicht nur um eventuell strafrechtlich relevante Verstöße geht. Das mehrfach ausgezeichnete Internet-Angebot der Stadt ist auch deren Aushängeschild. „Rassistische Äußerungen sind da natürlich ein großer Image-Schaden“, weiß Triesch: „Ich gelobe Besserung.“ hoi
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen