piwik no script img

Sex vor Sokotos Groß-Kadi

Wie lange dauert eine Schwangerschaft? Das war ein zentraler Punkt beim Berufungsprozess der zum Tode verurteilten Nigerianerin Safiya Husseini

BERLIN taz ■ Eigentlich hat Mohammed Bello Silane gar keine Wahl mehr: Der „Groß-Kadi“ von Sokoto, also der islamische Berufungsrichter in der nordwestnigerianischen Stadt, wird am kommenden Montag das Todesurteil gegen Safiya Husseini aufheben müssen. Die 35-jährige Nigerianerin, die im vergangenen Oktober vom Scharia-Gericht des Ortes Gwadabawa zum Tode durch Steinigung verurteilt war, weil sie als geschiedene Frau ein Kind bekommen hatte, machte bei ihrer Berufung am Montag alles richtig: Sie blieb bei ihrer letzten Aussage vom Januar, wonach sie nicht – wie ursprünglich von ihr behauptet – von einem Verwandten vergewaltigt worden war, sondern mit ihrem Exmann Geschlechtsverkehr hatte; und sie sei sogar bereit, diesen Mann wieder zu heiraten. Sogar hohe Regierungsbeamte des Bundesstaates Sokoto, Wiege des mächtigsten islamischen Emirats von Westafrika, äußerten sich zuversichtlich, dass nun die Verurteilung aufgehoben wird.

Nach der Scharia gilt es zwar als Ehebruch, wenn eine geschiedene und unverheiratete Frau ein Kind bekommt – aber nicht dann, wenn der Erzeuger der letzte Ehemann ist. Die Umstände – also ob es eine Vergewaltigung gab oder nicht – sind egal.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, Safiya Husseinis veränderte Aussage mache keinen Unterschied, denn das Kind habe sie so oder so bekommen. Das Kind – der einjährige Adama – saß im Gerichtssaal und schrie. Die Verteidigung argumentierte, das ganze Verfahren sei sowieso fragwürdig, da der angebliche Ehebruch lange vor dem Inkrafttreten der Scharia in Sokoto am 31. Januar 2001 geschehen sei – Adama wurde im Februar geboren. Es sei sogar möglich, dass der kleine Junge gezeugt wurde, als Safiya noch verheiratet war, meinte der Verteidiger. Zwar lag zwischen Scheidung und Geburt über ein Jahr, aber im Koran könnten Schwangerschaften bis zu sieben Jahre dauern. Und es gebe keine Zeugen, die etwas anderes beweisen könnten.

Angesichts der immer absurderen Debatte verkündete Richter Bello Silane, er werde sich eine Woche Zeit nehmen, bevor er ein Urteil fällt. Sollte er wider Erwarten Safiya Husseini nicht freisprechen, könnte die Frau nur noch vor Nigerias Oberstes Gericht ziehen. D.J.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen