piwik no script img

Und weiter im Text

Wenn eine riesige Stockente den Falken spielt: „Fup“, das Märchen für Erwachsene von Jim Dodge, ist endlich auf Deutsch erschienen, übersetzt von Harry Rowohlt

Bereits 1983 bescherte Jim Dodge der amerikanischen Leserschaft dieses ruhige, anrührende, zutiefst humanitäre und dabei sehr komische Erwachsenenmärchen, das nur die besten narrativen Traditionen fortschreibt: das Archaische eines Sherwood Anderson, den Rock-’n’-Roll-Grobianismus Hunter S. Thompsons, die Skurrilität des alten humoristischen Erzählens angelsächsischer Provenienz und die freundliche Milde und Surrealität Richard Brautigans. Dass ausgerechnet so ein Buch fast zwanzig Jahre braucht, um ins Deutsche übersetzt zu werden, darf man getrost als eine weitere Merkwürdigkeit im hiesigen Verlagsgeschäft beklagen. Aber jetzt ist es ja da, vom vielstimmigen Harry Rowohlt überaus charmant übersetzt.

Die Geschichte lebt von ihren drei außergewöhnlichen Charakteren. Da ist zunächst einmal Granddaddy Jake, einst ein Karten spielender Glücksritter und Frauenheld, der sich im Alter zu einem wahren Künstler im Destillieren des Unsterblichkeit verheißenden Ol’ Death Whisper-Whiskeys entwickelt hat. Mit seinem täglichen 0,6-Liter-Quantum hält er sich und sein Leben so ziemlich im Gleichgewicht. Das allerdings wird empfindlich gestört, als man ihn wegen Steuerhinterziehung drankriegen will, zu allem Überfluss seine Tochter ertrinkt und er um die Adoption seines Enkels Tiny kämpfen muss.

Kurzum, Tiny darf zu ihm auf die Ranch ziehen, wird größer und entwickelt eine veritable Passion: Er baut Zäune! Und er hat einen Gegner, Lockjaw, das gerissene, perfide Wildschwein, das seine Gatter immer wieder niederreißt, vielleicht weil in ihm ein indianischer Medizinmann mit einer gewissen Antipathie gegen derartige Umgrenzungen wiedergeboren wurde (jedenfalls vermutet das Granddaddy Jake). Bei den ständig anfallenden Reparaturarbeiten rettet Tiny einem Küken das Leben, das bald zu einer maßlos verfressenen, riesenhaften Stockente heranwächst. Jake tauft sie „Fup Duck“, weil er das für ein schönes Wortspiel mit „fucked up“ hält.

Mit der Ente kommt, ironisch verwandelt, der „Falke“ der klassischen Novelle ins Spiel, das Leitsymbol, in dem sich das Thema des Buches verdinglicht. Fups nachgerade psychedelisches resp. mystisches Ende mit anschließender Wiederauferstehung tippt denn auch vieles von dem noch einmal an, was sich bis dahin ereignet hat, angefangen beim tragischen Tod der Mutter, aber es bleibt da dennoch eine Leerstelle.

Worum geht es hier eigentlich? Granddaddy Jake weiß eine Antwort: „Es ist einfach nicht möglich, manche Sachen zu erklären, vielleicht sogar die meisten Sachen nicht. Es ist interessant, sie zu bestaunen und ein paar Vermutungen anzustellen, aber die Hauptsache ist, dass man sie akzeptieren muss – sie als das nehmen, was sie sind, und weiter im Text.“ Jim Dodge hat sich das als Erzähler zu Herzen genommen. Und das macht wohl auch die Poesie des Buches aus.

FRANK SCHÄFER

Jim Dodge: „Fup“. Aus dem amerikanischen Englisch von Harry Rowohlt. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 2002, 128 Seiten, 15 €

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen