Gangster dürfen reich bleiben

Karlsruhe erklärt Vermögensstrafe für verfassungswidrig: Als Strafe für Organisierte Kriminalität zu ungenau. Neuregelung wird nicht erwartet. Grüner Beck zufrieden

FREIBURG taz ■ Täter aus der so genannten Organisierten Kriminalität müssen keine Vermögensstrafe mehr befürchten. Gestern erklärte das Bundesverfassungsgericht die 1992 eingeführte neue Strafart für verfassungswidrig. Die Strafandrohung sei nicht hinreichend bestimmt, hieß es in der Begründung. Das Urteil fiel mit fünf zu drei Richterstimmen.

Der Gesetzgeber wollte mit der Vermögensstrafe sicherstellen, dass Bandenkriminelle, wenn sie aus dem Gefängnis kommen, kein Kapital für neue neue Geschäfte mehr haben. Im konkreten Fall hatte ein Drogenhändler aus Hamburg geklagt, der einerseits zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt wurde, dem dann aber auch noch ein Haus im Wert von rund 307.000 Euro weggenommen wurde. Der Fall muss nun neu aufgerollt werden.

Karlsruhe stellte klar, dass die Bürger nicht nur genau wissen müssen, welches Verhalten strafbar ist, sondern auch, welche Sanktionen drohen. Dabei genüge es zwar, wenn der Gesetzgeber Strafrahmen Höchst- und Mindeststrafe festlege. Bei der Vermögensstrafe konnte einem Täter aber jeweils sein gesamtes Vermögen weggenommen werden, es gab also keine konkrete Obergrenze. Aus diesem Grund erklärte das Verfassungsgericht die Regelung nun für „nichtig“ und nicht weiter anwendbar.

Die Verfassungsrichter verwarfen damit auch einen Vermittlungsversuch des Bundesgerichtshofs, der die umstrittene Sanktion 1996 einschränkend auslegte. Bei einer besonders hohen Vermögensstrafe müsse die zugleich verhängte Freiheitsstrafe reduziert werden. Doch das Verfassungsgericht unter Jutta Limbach sagte nun, dem Gesetz sei kein Umrechnungsschlüssel von Freiheits- in Vermögensstrafe zu entnehmen.

Drei eher konservative Verfassungsrichter (Di Fabio, Mellinghoff und Jentsch) gaben gestern ein Sondervotum ab. Nach ihrer Ansicht ist die Vermögensstrafe verfassungskonform. Eine zahlenmäßig bezifferte Obergrenze hätte nämlich „reiche Täter“ begünstigt und der Vermögensstrafe ihre Wirkung genommen. In der Praxis hatte die Vermögensstrafe längst nicht die große Bedeutung, mit der Befürworter und Gegner 1992 rechneten. Nur rund 15 Mal wurde sie seither verhängt. Sachverständige erklärten in der mündlichen Verhandlung, sie sei einfach zu kompliziert gewesen. Die Richter seien deshalb auf Instrumente der Gewinnabschöpfung wie „Verfall“, „erweiterter Verfall“ und „Einziehung“ ausgewichen.

Mit einer baldigen Neuregelung der Vermögensstrafe ist nicht zu rechnen. Der Grüne Rechtspolitiker Volker Beck begrüßte das Urteil gestern und nannte die Vermögenstrafe ein „Ergebnis einer populistischen Rechtspolitik ohne jedes Augenmaß“. (Az. 2 BvR 794/95) CHRISTIAN RATH