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Es wird wieder getürkt

■ Das Innenressort will libanesische Familien auseinander reißen: Väter werden abgeschoben, Mütter und Kinder in die Sozialhilfe gedrängt

Bedria El-Zein ist eine selbstbewusste junge Frau. Wer sie reden hört, käme nicht auf die Idee, sie könnte aus einem anderen Land stammen. Stammt sie auch nicht. Sie ist in Deutschland geboren, wuchs in Bielefeld auf. Aber auf dem Papier ist sie staatenlos. Ihre Eltern kommen aus dem Libanon. Aber wenn es nach der Bremer Innenbehörde geht, soll sie in die Türkei ausreisen. Die hat nämlich Bedrias ebenfalls libanesischem Mann Abdallah nachgewiesen, dass seine Eltern ihn vor 14 Jahren mit einem türkischen Pass nach Deutschland brachten. Nun soll die ganze Familie in die Türkei abgeschoben werden, auch Bedria und die kleine Tochter des Paares.

„Die Ausländerbehörde spekuliert darauf, dass wir mitgehen, wenn mein Mann abgeschoben wird“, sagt die 21-Jährige. Das habe man ihr offen gesagt: „Nach ein paar Monaten gehst Du doch sowieso hinterher“, habe es geheißen. Aber: „Kommt gar nicht in Frage“, sagt die junge Mutter. „Die Türkei ist nicht mein Land, ich habe nichts damit zu tun und dort auch keine Perspektive.“ Sie klingt empört, als habe man von ihr verlangt, in den Busch zu ziehen. Außerdem hat die kleine Tochter eine Lippen-Gaumen-Spalte, die regelmäßig behandelt weden muss. „Das wäre in der Türkei gar nicht möglich“, sagt sie. Auf der Ausländerbehörde habe man ihr aber schon gedroht, die nächste Operation werde in der Türkei stattfinden. Ohnehin ist fraglich, ob die Türkei sie und die eineinhalbjährige Tochter aufnehmen würde, denn die beiden sind dort nicht als Staatsbürger registriert.

Die Familie ist kein Einzelfall: Dem Bremer Bündnis gegen die Abschiebung libanesischer Kurden sind derzeit neun Familien mit insgesamt 33 Kindern bekannt, die per Abschiebung eines Elternteils auseinandergerissen werden sollen. Obwohl Ehe und Familie grundgesetzlichen Schutz genießen, betreibe die Bremer Innenbehörde derzeit offensiv die Abschiebung meist des Vaters. Dabei beruft sich die Behörde auf ein Verwaltungsgerichtsurteil, nach dem die Betroffenen den Anspruch auf diesen Schutz verwirkt hätten, indem sie die Behörden durch falsche Angaben über ihre Herkunft bewusst getäuscht hätten – auch wenn diese Täuschung ursprünglich ihren Eltern zuzurechnen sei. Außerdem heißt es, durch die Abschiebungen würden die Familien ja nicht notwendigerweise auseinander gerissen – sie könnten ja das Familienleben in der Türkei fortsetzen, müssten sich dafür allerdings selbst um entsprechende Einreisepapiere für die Türkei kümmern. In einigen Fällen versucht das Ausländeramt allerdings auch nachzuhelfen: Im Januar beantragte die Behörde beim Amtsgericht die „Berichtigung eines Personenstandseintrags“. Im Klartext: Die fünf Kinder einer staatenlosen Libanesin sollen auf den türkischen Namen des abschiebbaren Vaters „umgetragen“ werden. Die Unterstützer-Innen vom Bündnis gegen Abschiebung fürchten, dass der Mutter damit angedroht werden soll, die Kinder mit dem Vater abzuschieben. Sie wittern „Erpressung“ hinter diesem Vorgehen.

Zumindest treibt es seltsame Blüten: Die 22-jährige Shamse El-Bedewi sollte aufgrund eines offensichtlich gefälschten türkischen Passes abgeschoben werden. Demnach wäre sie 15 Jahre alt, sie hat aber schon eine vierjährige Tochter. Das türkische Konsulat stellte sich quer. Nun droht ihrem Mann Abdallah die Abschiebung. Wenn der Betreiber einer Tankstelle Deutschland verlassen müsste, verlören seine Frau und drei Kinder ihren Lebensunterhalt, müssten Sozialhilfe beantragen. Dabei hatte das Innenressort seinen harten Abschiebekurs gegen die libanesischen Kurden immer auch mit der erreichbaren Einsparung an Sozialhilfekosten begründet. Jan Kahlcke

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