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zwischen den rillenDie Alpen-Avantgarde: Attwenger und Edelschwarz

Über allen Gipfeln ist Groove

Attwenger ist Avantgarde. Das klingt nicht nur gut, sondern hat auch schon immer gestimmt – und wird wohl auch weiter stimmen, solange Markus Binder (Schlagzeug, Gesang) und Hans-Peter Falkner (Akkordeon, Gesang) zusammen Musik machen. Anfang der 90er haben sie Ländler in Punk-Manier bearbeitet und mit ihrem Sprechgesang gleich noch deutschsprachigen Rap vorweggenommen. Nach einer kurzen Krise kamen die beiden Österreicher 1997 mit einer Art Volksmusik-Dub zurück, mit schier endlosen Dialektwortspielen und minimalistischen Rhythmusverschiebungen. Und wie es sich für Radio verachtenden Underground gehört: fast jedes Stück fünfzehn Minuten lang. Dann war Pause. Markus Binder experimentierte mit Elektronik, und HP Falkner machte mit seinen Eltern Volksmusik (3 Falkner). Jetzt sind Attwenger wieder da, und man fragt sich: Was ist der neue Dreh? Wo steht die Alpen-Avantgarde heute?

„Sun“ ist das oberösterreicherische Wort für Sonne und das englische auch – vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, dass das neue Album internationaler ist als seine Vorgänger. Erstmals arbeiten die beiden Linzer nämlich mit (ausländischen!) Gästen zusammen. Zum Beispiel mit Fred Frith, dem legendären JazzNoise-Gitarristen, der auf „mei Bua“ eine ganz warme US-Schrammel spielt, die dem ganzen Track eine Atmosphäre gibt wie auf Bob Seegers „Mainstreet“. Oder mit dem serbischen Boban Marković Orkestar, einer angesagten Balkan-Blaskapelle. Ausgerechnet beim verzweifelten Stück „huad“ – es geht um einen brennenden Hut (auf dem eigenen Kopf) – darf Marković seinen fröhlich-packenden Disko-Dzumbus dazwischentrompeten.

Man könnte es „alpine Weltmusik“ nennen, allerdings fänden Attwenger das wohl nicht so gut. Auch findet sich nur noch wenig Alpines auf der neuen CD – abgesehen vom Dialekt, mit dem wieder liebevoll gespielt wird. So dürfte sich der perkussive Drang von „Gedscho, gedscho, gedscho wieda weida“ (geht schon wieder weiter) wohl auch beim bloßen Lesen erschließen. Und das „I hea eam rehn“ (ich hör ihn reden) dehnen sie so schön, dass es sich wie breitestes Amerikanisch anhört.

Produziert hat das Album Mario Thaler in seinem Weilheimer uphon-Studio. Und aus der oberbayerischen Indie-Metropole kommt auch die Postrock-Gruppe „Couch“, deren Track „Alle auf Pause“ Attwenger ebenfalls verwenden. Man sieht unschwer, die neue Attwenger-CD ist ein Mikrokosmos aus Querverweisen. „Vo irgendwo kuman diese Sochn olle her“, heißt es denn auch intertextuell bekennend auf „rehn 2“, einer Version von „rehn 1“.

Überhaupt gibt es diesmal wieder richtig viele Texte bei Attwenger. Oft geht es um Langeweile und Beliebigkeit, umso überraschender deshalb die groovende Anti-FPÖ-Hymne „kaklakariada“ (kein Kleinkarierter), in der die FPÖ und Haider natürlich nicht erwähnt werden, dafür aber „Kacke“ auf „Landesflagge“ gereimt wird. Nicht nur deshalb: die wunderbarste Attwenger-CD ever.

Das bayerische Quartett Edelschwarz dagegen spielt so, wie Attwenger heute klängen, wenn sie sich linear weiterentwickelt hätten: harter Alpen-Metal mit viel Elektronik. Da spielt die Handharmonika noch tradionell klingende Melodiebögen, und es wird auch noch richtig gejodelt. Nur die Hardcore-Gitarre brettert rücksichtsloser, als man es von Alpenrock-Bands gewohnt ist, und die Beats sind auch zeitgemäß.

Das ist Festzeltmusik für Headbanger, entsprechend leider die Texte: „Schädel voll Hopfensaft, des gibt a Kraft“. Das ist weder edel noch schwarz, sondern einfach harmlos, genauso wie die heitere Suche nach einem Gummibaum, die auch einem Liedermacher wie Ulrich Roski hätte einfallen können. Da hat sich die vermeintlich „schwarze Seele der Volksmusik“ wohl im Schafspelz verirrt.

Bandgründer Siegfried Haglmo, aufgewachsen auf dem Haglhof, spielte bisher bei den Hundsbuam, einer mittelbekannten Formation der „Neuen Volksmusik“. Dort wollte er alles immer extremer haben als die anderen. Statt sozialdemokratische Dorfmusi zu machen, wollte er musikalisch mal richtig auf den Putz hauen. Doch originell ist nur der Krach. Deshalb heißt die CD auch „Alpine Härte“. CHRISTIAN RATH

Attwenger: „Sun“ (Trikont); Edelschwarz: „Alpine Härte 1 von 2“ (Lawine/BMG)

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