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Das Imperium schlägt zurück

Warum werden in „Spartacus“ die Sklaven von Amerikanern gespielt und die Römer von Briten? Warum überlebt Nero in „Quo Vadis“ seinen 20. Juli nicht? Und warum ist „Gladiator“ ein Sportfilm? Über die geheimen politischen Botschaften des Sandalenfilms

von PAUL MOLLENHAUER

Mit fünf Academy Awards ist „Gladiator“ der große Gewinner der Oscarverleihung 2001 gewesen. Seit den späten Sechzigerjahren und noch vor kurzem erschien es als völlig undenkbar, dass ein Römerfilm je wieder finanziert werden, geschweige denn eine nennenswerte Menge Kinobesucher bewegen würde. Bald nach dem nicht nur finanziellen Debakel von „Cleopatra“ (1963) war dieses Genre im Grunde ein für alle Mal abgeschrieben. An Häme hat es nie gefehlt: „Sandalenfilme“ schienen nur noch für Menschen mit Sinn für Trashkultur oder latente Homoerotik interessant zu sein. In jedem Fall galten die Historienspektakel der Fünfziger- und Sechzigerjahre als eine lächerliche und kindische Episode ohne wirklichen filmhistorischen Wert. Paul Newman konnte es sich bereits 1958 leisten, die Hauptrolle in William Wylers „Ben Hur“ mit der Begründung auszuschlagen, er trete nicht im Minirock auf.

Das Kritisieren von Historienfilmen hat eine sehr gymnasial anmutende Tradition. Akribisch wird auf Armbanduhren bei Statisten geachtet, auf falsche Aussprache lateinischer Eigennamen oder auf unpassende Frisuren. Auch dem historisch leidlich vorgebildeten Zuschauer fallen immer wieder fehlerhafte oder anachronistische Details auf. Natürlich hätte uns der Schlachtruf „Roma victor“ den Spott unseres Lateinlehrers eingetragen. Und sicherlich ist die seriöse Rekonstruktion der Damenhaarmode des frühen Prinzipats eine respektable Leistung. Wichtiger sind jedoch andere Fragen: Welche Antworten hat eine Epoche für die immer gleichen Fragen nach Gerechtigkeit, Macht, Liebe? Und was hat all das mit uns zu tun?

Fremdartigkeit der Verhältnisse allein kann ja kein Argument gegen einen Film oder ein Genre sein – im Gegenteil: Wer könnte von sich behaupten, wirklich vertraut mit Drogenhandel, Vietnamkrieg oder Schiffsuntergängen zu sein? Indem er fremde Antworten auf vertraute Fragen gibt, indem er das charakteristische Profil einer fernen Vergangenheit zeichnet, wirft uns der gelungene Historienfilm unmerklich auf die Gegenwart.

Das Bild des Römischen Reiches, das uns Hollywoods große Monumentalfilme zeichnen, hat zunächst mit der historischen Wirklichkeit nicht viel zu tun. Das liegt nicht zuletzt an den Romanvorlagen des 19. Jahrhunderts, die auf der traditionellen christlichen Deutung der römischen Geschichte fußen. „Quo Vadis“ etwa ist das Werk des erzkatholischen polnischen Nationalisten Henryk Sienkewicz, „Ben Hur“ das des frömmelnden amerikanischen Bürgerkriegsgenerals Lew Wallace.

Für beide hatte sich das Römische Reich durch die Christenverfolgungen ein für alle Mal ins welthistorische Unrecht gesetzt. Ebenso die Römerfilme der Fünfzigerjahre: Der wahre Glaube setzt sich gegen alle Verfolgungen des heidnischen Unrechtsregimes durch. Am Ende aller Seeschlachten, Gladiatorenkämpfe und Wagenrennen steht die Bekehrung.

Bereits im 18. Jahrhundert hat Edward Gibbon darauf hingewiesen, dass die christliche Geschichtsschreibung seit der Spätantike das Ausmaß der Christenverfolgungen übertrieben hat und dafür kaum ein Wort verliert über die intoleranten Exzesse des Christentums nach seinem Sieg. Die Verfolgungen, die die Christen in bestimmten Phasen der römischen Geschichte erdulden mussten, standen in keinem Verhältnis zu dem Vernichtungswillen, mit dem nach der Taufe Kaiser Konstantins im 4. Jahrhundert Heiligtümer anderer Religionen zerstört und andere Glaubensgemeinschaften ausgerottet wurden.

Den meisten Kulten der Antike war der Ausschließlichkeitsanspruch der monotheistischen Religionen fremd. Religiöse Toleranz war im Römischen Reich selbstverständlich, und so wurde auch von Anhängern dieser jungen Religion erwartet, dass sie den anderen Kulten ihren Respekt erwiesen, besonders da es sich beim Kaiserkult sozusagen um die Anerkennung der gültigen Rechtsordnung handelte. Vermutlich konnten viele Menschen das Dilemma, in dem sich ein Christ befand, wenn er dem göttlichen Kaiser opfern sollte, gar nicht nachvollziehen.

Darüber hinaus wissen wir, dass das Römische Reich dezentral und unbürokratisch organisiert war. Die Regionen behielten weitgehende politische Autonomie, nur eine Hand voll römischer Beamter, denen ein vergleichsweise kleines stehendes Heer unterstand, koordinierte die Provinzen mit der Hauptstadt Rom, und die Bundesgenossen Roms behielten ihre Militärverfassung. Der zivilisatorische Sog war aber in der Regel so groß, dass die lokalen Eliten sich praktisch von selbst romanisierten: Sie gaben ihren Namen lateinische Endungen, bauten ihre Städte im römischen Stil um und schickten ihre Söhne zur Ausbildung in die Hauptstadt.

„Wenn einmal ein Engel des Herrn die Bilanz aufmachen sollte, ob das von Severus Antoninus beherrschte Gebiet damals oder heute mit größerem Verstande und größerer Humanität regiert worden ist“, glaubte nicht nur Theodor Mommsen, „so ist es sehr zweifelhaft, ob der Spruch zu Gunsten der Gegenwart ausfallen würde.“ Das Römische Reich, das uns aus dem Römerfilm anstarrt, trägt indes ein anderes Gesicht: die Fratze des Militarismus.

Ein Militärmarsch schmettert, Kolonnen römischer Legionäre marschieren in der Sonne die Via Appia entlang, und aus dem Off die metallische Stimme des Erzählers – so beginnt Mervyn LeRoys „Quo Vadis“ von 1951. „Das kaiserliche Rom ist der Mittelpunkt des Imperiums, ist unumstrittene Herrin der Welt. Aber mit dieser Machtfülle kommt unausweichlich die Korruption“, behauptet der Sprecher und erzählt von der absoluten staatlichen Macht dieser „Pyramide aus Gewalt und Korruption, aus menschlichem Elend und Sklaverei“. Nur der humanitären Idee des Christentums könne es gelingen, dieses System in seinen Grundfesten zu erschüttern.

Sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fallen die Parallelen ins Auge: Man glaubt, eine der Kriegswochenschauen vor sich zu haben, die zu Bildern militärischer Unwiderstehlichkeit das Feindbild auf den Punkt bringt. Auf Filmeinleitungen dieser Art beruht die populäre Vorstellung von Rom zu einem großen Teil, und sie porträtieren die Römer als die Deutschen der Antike. Ihr Gruß ist das zackige Heben des rechten Armes.

Rom hat die halbe Welt unterworfen und gnadenlos administriert. Marcus Vinicius (Robert Taylor), als Legionskommandant führender Offizier der römischen Armee, die zwar in sich ehrenhaft und siegreich ist, aber vom Staat für seine imperialistischen Zwecke missbraucht wird, sieht sich bei seiner Heimkehr aus dem Felde mit den widerlichen Verhältnissen in der Hauptstadt konfrontiert: Der Führer (Peter Ustinov als unvergesslicher Nero) ist ein degenerierter, größenwahnsinniger Kleinkünstler von unberechenbarer Grausamkeit – umgeben von einer schwarz gewandeten Miliz, die nur allzu bereitwillig seinen gewalttätigen Launen folgt.

Vinicius ist hin- und hergerissen zwischen blinder Pflichterfüllung und Werten wie Gerechtigkeit und Humanität, die ihm von einer jungen Christin nahe gebracht werden. Er, der am Anfang noch jede Frau nichtrömischer Herkunft für eine Sklavin hielt, tritt schließlich entschlossen auf die Seite der verfolgten Opposition. Seines Rückhaltes im Militär beraubt, bricht die Herrschaft des Tyrannen zusammen.

Rom als Inbegriff von Militarismus, Bürokratie und Barbarei, von Effizienz und Intoleranz, von blindem Führerglauben und gemeingefährlicher Führung – das ist der Kriegsgegner, das ist Deutschland. Bereits um 1900 hatte der deutsche Historiker Ludwig Quidde diese Parallelisierung von Deutschland und Rom bemüht. Normalerweise zogen es die Deutschen ja vor, sich als die Griechen der Neuzeit zu betrachten. Quiddes „Caligula“, eine „Studie über den Cäsarenwahn“, beschreibt einen jungen Monarchen, der sich nach hoffnungsvollen Anfängen als gefährlicher Psychopath entpuppt. Die staatstreue Geschichtswissenschaft hat hier sofort und zu Recht eine Karikatur des deutschen Kaisers Wilhelm II. gesehen. Quiddes Karriere war in jeder Hinsicht beendet. Diese Gefahr bestand für die Produzenten der Römerfilme der Fünfzigerjahre nicht. Interessant ist aber doch, dass „Quo Vadis“ zeigt, was in Wirklichkeit nie geschah: Die Legionen versagen dem Führer die Treue und führen seinen Sturz und seinen Tod herbei. Nero stirbt am 20. Juli.

Die Frage, welches Verhältnis man grundsätzlich zur staatlichen Macht einnehmen soll, zieht sich durch alle Römerfilme. Die Römer sahen sich selbst als zum Herrschen geboren, und was unter dem Begriff „Romidee“ bis heute fortlebt, ist das Ideal einer universellen, die Zivilisation zur Vollendung bringenden Herrschaft. Am Ende ist es immer die Idee der Zivilisation, der sich keiner der großen Römerfilme entziehen kann. Die Idee der Zivilisation wird aber vermischt mit der reinen Affirmation der Macht. Schon die gewaltigen Sperrholzkulissen, in denen die Statistenheere im Film aufmarschieren, nötigen uns Bewunderung ab. „Quo Vadis“ zeichnet das Bild eines allmächtigen und willkürlichen Staates, um das Christentum als Idee zu präsentieren, die das Unmögliche schaffen und die „Pyramide aus Gewalt und Korruption“ besiegen kann.

Das Kreuz, so behauptet der Einleitungstext vollmundig, werde die römischen Adler auf den Standarten ersetzen. Damit wird impliziert, Konstantins Konversion habe den Charakter des Römischen Reiches grundlegend geändert und eine Art „geistig-moralische Wende“ herbeigeführt. Das ist naiv. Auch das christliche Rom wird stets der Inbegriff staatlicher Macht und staatlicher Hybris bleiben.

Der Römerfilm der Sechzigerjahre wirft einen anderen Blick auf Rom. Immer noch ist Rom imperialistische Weltmacht, immer noch hält es sich für den Mittelpunkt der Weltzivilisation. Doch trägt es nicht mehr die Züge Deutschlands. Nun ist es die amerikanische Geschichte, die thematisiert wird: die Supermacht der Demokratie, der Hort der Freiheit, der Sieger über die Hitlerdiktatur. Und die Macht, deren moralische Legitimation immer zweifelhafter wird.

Kubricks „Spartacus“ von 1961 mit Kirk Douglas in der Titelrolle adaptiert einen zeitgenössischen Roman. Der Autor, Howard Fast, schrieb über soziale Ungerechtigkeit und Ausbeutung, über Pressefreiheit und Korruption. Seine Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei zwang ihn in der McCarthy-Ära Kriminalromane unter Pseudonym zu veröffentlichen. Fasts „Spartacus“ berührt die wunden Punkte der amerikanischen Geschichte im alten Rom: Sklaverei, Rassismus, Unterdrückung. Die Vision vom Ende der Sklaverei, die Kubricks Spartacus artikuliert, ist jedoch anachronistisch – keiner der Rebellen von 73 bis 71 v. Chr. dachte an die Aufhebung der Sklaverei als Institution. Der Traum des Spartacus von einer Welt ohne Unterdrückung ist in Wahrheit der Traum der amerikanischen Bürgerrechtler.

Nebenbei aber zeichnet „Spartacus“ ein subtiles Porträt der römischen Gesellschaft: In einer perfiden Szene unterschwelliger sexueller Gewalt nötigt Crassus (Laurence Olivier) seinem neuen, gut aussehenden Sklaven Antoninus (Tony Curtis) ein scheinbar sokratisch plauderndes Gespräch auf, während er sich von ihm baden lässt. „Stiehlst du, Antoninus?“ – „Nein, Herr.“ – „Lügst du?“ – „Nicht wenn ich es vermeiden kann.“ – „Isst du Austern?“ – „Wenn ich welche bekommen kann.“ – „Und isst du Schnecken?“ – „Nein.“ – „Hältst du es für unmoralisch, Schnecken zu essen, aber für moralisch, Austern zu essen?“ Darauf kann Antoninus nicht sinnvoll antworten, er spürt die Bedrohlichkeit des Gesprächs. „Ich“, sagt Crassus, „esse beides – Austern und Schnecken.“ Der Sklave wendet sich mit Grausen und nutzt die erste Gelegenheit zur Flucht. Abgestoßen und fasziniert, sehen wir die Epoche, die in dieser Szene aufblitzt: eine Epoche, in der philosophische Reflexion, Toleranz und Eleganz genauso ihren Platz haben wie Unterdrückung, Grausamkeit und Dekadenz.

Mit sicherem Gespür hat Kubrick in seinem Film die Römer mit Briten und die Sklaven mit Amerikanern besetzt. Dass der naive moralische Rigorismus der jüngeren Nation die zivilisatorische Ambiguität der älteren Kolonialnation verdrängen wird, daran lässt Kubricks Film keinen Zweifel; und doch setzt er der untergehenden Welt ein großartiges Denkmal.

Selbst diejenigen Filme, die keine bloße Verurteilung Roms als perverse Unterdrückermacht betreiben, zeigen uns Rom als innerlich gebrochen. An den unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen dem idealen Staat und der Logik der Macht („unausweichlich kommt die Korruption“) gehen nicht nur Nero und Commodus, sondern auch Marc Aurel und am Ende Rom zugrunde. Schon in „Spartacus“ ist dieses Problem zu erkennen, in Anthony Manns „Der Untergang des Römischen Reiches“ rückt es 1964 ins Zentrum.

Wie lassen sich in einer immer unsicherer werdenden Welt die Ideale des zurückhaltenden, gerechten Staates weiterhin verwirklichen? Welche Idee kann Rom dem an Zulauf gewinnenden Christentum und den auf bloße Eroberung drängenden Barbaren entgegensetzen? Sollten nicht Frieden und Integration die Antwort sein? Über solche Fragen sinniert der alternde Kaiser Marc Aurel (Alec Guiness) in seinem Feldlager bei Vindobona an der Nordgrenze des Reichs, während der Schnee um die Wachttürme weht. 180 n. Chr.: Der Sommer des Römischen Reiches ist vorüber. Endlose Kriege gegen die das Reich bedrohenden Barbaren zermürben die Römer. Der Kaiser hält seinen Sohn Commodus für einen mäßig begabten Nachfolger, und als prinzipientreuer Philosoph muss er seine Vaterliebe dem Staatswohl unterordnen. Bevor er aber den moralisch einwandfreien General Livius (Stephen Boyd, diesmal blond) als Nachfolger öffentlich präsentieren kann, wird er von den korrupten Helfershelfern seines Sohnes vergiftet.

Nach Aurels Tod entpuppt sich Commodus als würdiger Nachfolger Neros; am Ende tritt er sogar als Gladiator auf. Währenddessen versuchen die letzten aufrechten Römer, die Katastrophe abzuwenden, indem sie unter Einsatz ihres Lebens bei den Barbaren für die Idee der Zivilisation werben. Vergebens, das Reich ist bereits von innen unheilbar krank. Livius, den Commodus eifersüchtig hasst, tötet schließlich den Tyrannen in der Arena. Doch anstatt die politischen Herausforderungen der Zukunft anzunehmen, zieht er sich resigniert ins Privatleben zurück. Selbst die Besten sehen keine Perspektive mehr. Es sind die unauflöslichen Widersprüche auch in der amerikanischen Geschichte, die „Der Untergang des Römischen Reiches“ im Jahr nach dem Attentat auf Präsident Kennedy ausbreitet: Kann man die Zivilisation mit unzivilisierten Mitteln verteidigen?

Die Beschreibung Roms mit den Kategorien der amerikanischen, nicht der deutschen Geschichte hat zweifellos sehr viel für sich. Ist es doch weniger die militärische als die zivilisatorische Eroberungsleistung, die die Pax Romana so gut wie die Pax Americana in den Rang einer dauernden Weltordnung gehoben hat. Niemand zwingt die Menschen in Britannien, Mauretanien oder Kappadokien, in Japan, Westafrika oder in den Anden, eine Toga zu tragen oder Coca-Cola zu trinken.

Amerika und Rom haben nicht nur dieselbe ethnische Offenheit, so hat es Peter Ustinov einmal formuliert, sondern auch denselben schlechten Geschmack. Das Imperium kann auf seine Assimilierungskraft vertrauen – werden deren Grenzen erreicht, bricht leicht Panik aus, sei es angesichts unübersehbarer Massen von Germanen und Hunnen, sei es angesichts islamischer „Fundamentalisten“.

Ridley Scotts „Gladiator“ erzählt die gleiche Geschichte wie „Der Untergang des Römischen Reiches“, doch ganz anders. Wieder stehen wir am Ende der großen Zeit der römischen Zivilisation, wieder beherrscht der verhaltensauffällige Commodus (Joaquin Phoenix) die Szenerie. Doch die Konflikte um die politische Zukunft des Reiches und damit der Welt bleiben blass und werden lieblos erzählt. Im Grunde ist „Gladiator“ ein Sportfilm. Im Sportfilm geht es nicht um Fragen nach der unauflöslichen Verstrickung des Menschen, im Sportfilm geht es darum, dass jemand ungeheuer talentiert ist für einen Sport und seine Regeln, dass er aber in die Gosse gestoßen wird, aus der er sich mühsam herausarbeiten muss. Dabei muss er nicht bloß die gnadenlosen Gesetze des Geschäfts und die regelwidrigen – im Resultat natürlich erfolglosen – Attacken seiner übermächtigen Gegner meistern, sondern auch sich selbst, um am Ende zu triumphieren.

Hier, nicht in der halbherzigen Palastgeschichte, liegen die großen Stärken des Films. „Gladiator“ nimmt die Spielregeln des Tötens als Kunstform ernst, sonst ist hier nichts von Interesse. Eine beeindruckend realistische Schlachtsequenz am Anfang und großartige Arenaszenen in der kaum romanisierten Provinz und im Herzen der Metropole – das sind die gelungenen Teile des Films, der ein über Jahre ausgetragenes Duell zweier rivalisierender Sportler erzählt.

Aber vielleicht zeigt uns „Gladiator“ den Untergang des Römischen Reiches als ein Verschwinden der Reflexion und des traditionellen politischen Handelns und als den Aufstieg von Kampf- und Soldatentugenden zum einzigen Wert in einer brüchigen Welt. Für die folgenden hundert Jahre sollten nur diejenigen in Rom herrschen – und sie herrschten häufig nur wenige Tage –, die bereit waren, die Waffen gegen alles und jeden zu erheben, der ihnen ihre Macht streitig machte. Und man ahnt, dass der greise Marc Aurel (Richard Harris), wenn er General Maximus (Russell Crowe) zu seinem Nachfolger bestimmt, auch damit nicht die Katastrophe abwenden kann. In jedem Fall bemächtigen sich nun Berufssoldaten und routinierte Totschläger des Staates, das sieht auch der Zuschauer trotz der am Ende des Films linkisch in die Arena einziehenden Senatoren. Deren Zeit ist schon lang abgelaufen.

In der Tatsache, dass jemand wie Maximus ein ernsthafter Kandidat für den Thron werden kann, darin liegt der Untergang des Römischen Reiches. Wo Sportler und Schauspieler Politik machen, ist jede Zivilisation in Gefahr. Und ein Römerfilm hat heute wohl nur als antiker „Rocky“ eine Chance.

Sandalenfilme im Oster-TV: Karfreitag: „Herkules und das vergessene Königreich“ (USA 1994, RTL, 15.20 Uhr). Ostersamstag: „Asterix und Obelix gegen Caesar“ (F/D/I 1999, Sat.1, 20.15 Uhr), „Herkules erobert Atlantis“ (I/F 1961, BR, 23.50 Uhr). Ostersonntag: „Das Gewand“ (USA 1953, 3Sat, 15.30 Uhr). Ostermontag: „Herkules und der flammende Ring“ (USA 1994, RTL, 14 Uhr), „Herkules im Reich der toten Götter“ (USA 1994, RTL, 15.30 Uhr), „Vampire gegen Herakles“ (I 1961; BR, 0.05 Uhr). Freitag, 5. April: „Die unglaublichen Abenteuer des Herkules“ (I 1957, MDR, 14.30 Uhr)PAUL MOLLENHAUER, 34, Althistoriker, lebt als freier (Film-) Autor in Berlin

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