piwik no script img

Philipp Holzmann: Der Tag danach

Insolvenzverwalter übernimmt den bankrotten Baukonzern. Die Kunden ziehen erste Aufträge zurück – darunter das Land Thüringen. Die Belegschaft bedauert den früher vereinbarten Lohnverzicht. Konkurrenten wollen profitable Abteilungen kaufen

aus Frankfurt am MainKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Das ging fix. Am frühen Donnerstagabend beantragte der Vorstand der 1849 gegründeten Philipp Holzmann AG beim Amtsgericht in Frankfurt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gestern schon nahm der zum Insolvenzverwalter bestimmte Rechtsanwalt Ottmar Hermann die Arbeit auf. Und die Konkurrenz balgt sich bereits um den durch ökonomische Kunstfehler der Vorstandsmitglieder und wohl auch der Bankenvertreter im Aufsichtsrat vom Leben zum Tode beförderten „Holzmann“.

Die Kölner Straßenbaufirma Strabag jedenfalls signalisierte „Interesse“ an der Deutschen Asphalt, einer gesunden Tochter der Holzmann AG. Unter anderem der Mannheimer Baukonzern Bilfinger und Berger möchte wohl gerne die in den Vereinigten Staaten residierende Holzmann-Tochter J. A. Jones übernehmen. Die Interessenten werden sich – zur Freude des Insolvenzverwalters – mit ihren Angeboten wechselseitig überbieten müssen.

Insbesondere sollten umgehend die Löhne und Gehälter der Beschäftigten gesichert werden, sagte Hermann. Über die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld für die mehr als 11.000 Mitarbeiter von Holzmann in Deutschland werde bereits mit den Arbeitsämtern verhandelt. Auf den Baustellen von Holzmann herrschte gestern republikweit große Konfusion. Auf einigen wurde gearbeitet, auf anderen nicht. Erste Aufträge wurden zurückgezogen. So kündigte Thüringens Finanzminister Andreas Trautvetter (CDU) dem Unternehmen den Vertrag für den fast fertig gestellten Landtagsneubau. Subunternehmen holten ihr Material von den Baustellen.

Die Beschäftigten sind stinksauer: auf die Banken, aber auch auf den Konzernvorstand. Schließlich verzichteten sie im Rahmen der betriebsinternen Vereinbarungen nach der existenziellen Krise von 1999 mit Billigung der Gewerkschaften auf Lohn und leisteten Millionen von unbezahlten Überstunden. Die sollten ihnen ab 2006 nachbezahlt werden. Daraus wird wohl nichts mehr werden. Ernst-Ludwig Laux, stellvertretender Bundesvorsitzender der Baugewerkschaft und Mitglied im Aufsichtsrat der Holzmann AG, ist „heute auch klüger: Lohnverzicht rettet keine Arbeitsplätze.“

Strafanzeigen seien im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung bei Holzmann bisher keine erstattet worden, sagte Oberstaatsanwalt Job Tillmann. Eine Sonderkommission aus acht Polizeibeamten und drei Staatsanwälten ermittle allerdings schon seit 1999 gegen ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des Konzerns wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung und Untreue. Diese Ermittlungen unter anderem gegen die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Lothar Meyer und Heinrich Binder und den bei der letzten Krise zurückgetretenen Aufsichtsratsvorsitzenden Carl von Böhm-Benzing (Deutsche Bank) dauerten noch an.

Inzwischen haben die Bundesregierung und die hessische Landesregierung den von der Holzmann-Pleite betroffenen Subunternehmern und Handwerkern staatliche Hilfen in Form von verbilligten Krediten zugesichert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen