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Worte. Worte. Wieder Worte. Widerworte

■ Floskeln, Worthülsen und dann ein Mord. Die Uraufführung der „Kommunkation der Schweine“ zeigt ein bizarres Sprachgefängnis

Alles ist hell in diesem Raum, alles im gleichen Ton gehalten: Die Stehlampe, die Kommode, die Stühle, der Esstisch, der Sessel. Martha (Hella-Birgit Mascus) und Albert (Guido Fuchs), die beiden Bewohner dieses Zimmers, tragen helle Bluse, weißes Hemd, hellen Pulli. „Die Stühle stehen nicht richtig“, sagt Albert. „Das stimmt, das stimmt“, erwidert Martha.

In ihrem Zusammenleben sollen nicht nur die Stühle „dort stehen, wo sie hingehören“, alles hat seinen festen Platz, alles ist wohlgeordnet, und dieser Ordnung haben die beiden alles andere geopfert. Es gibt keine Geheimnisse zwischen ihnen, keine Lügen, keine Laster. Es gibt keine Freunde und überhaupt keine Außenwelt mehr.

Robert Woelfl malt dieses Höllenbild in seinem Stück „Kommunikation der Schweine“, das am Wochenende im Kleinen Haus des Stadttheaters Bremerhaven uraufgeführt wurde. Die Schweine sind die anderen, „die sich aneinander reiben“, die den Schmutz in ihrem Leben zulassen. „Zwischen uns muss es besser sein als bei den anderen“, sagt Martha. „Zwischen uns ist es genauso, wie wir es haben wollen“, bekräftigt Albert.

Dabei zeichnet Robert Woelfl keine wirklichen Menschen, er zielt nicht auf tiefschwarze Seelenabgründe wie Edward Albee mit seinem Paar Martha und George in „Wer hat Angst vor Virginia Wolf“. Der österreichische Autor entkleidet hier seine Protagonisten von aller Psychologie. Martha und Albert tauschen Formeln aus, Sprechblasen, Alltagsfloskeln, es sind die allseits bekannten Kommunikationshülsen, die hier in extremer Verdichtung und Reduzierung ein makabres Eigenleben führen und schließlich zwangsläufig in einem Mord enden.

Albert erschießt den einzigen Gast, einen Handwerker (Kay Krause), der das verstopfte Abflussrohr repariert hat. Er verkörpert das gefährliche Draußen, das Offene, die Neugier. Er wird brutal gedemütigt und fast beiläufig umgebracht. Im letzten Bild befindet sich das Paar in einer Anstalt. Ein sadistischer Arzt (ebenfalls Kay Krause) quält sie während des Verhörs mit Strammstehen, Reizgas und Schlägen, bis die beiden in dem total geschlossenen Raum ihr Glück in einem nächtlichen Traum finden. Sie stellen sich vor, gemeinsam in einer menschleeren Stadt spazieren zu gehen.

Regisseur Alexander Seer holt aus der bitterbösen Sprech-Anordnung den größtmöglichen schwarzen Humor heraus. Punktgenau und mit Druck aufs Tempo lässt er Guido Fuchs und Hella-Birgit Mas-cus als Kunstfiguren auftreten, die ohne jedes Gefühl ihre Sätze absondern. So stehen zu Recht diese Sätze im Zentrum, nicht irgendein Milieu oder Charaktereigenschaften zweier gefährlicher Zwangsneurotiker. Die Bühne von Katja Struck unterstreicht die Ortlosigkeit dieses Raumes, in dem die Sprache zur Falle und zum Gefängnis geworden ist.

Hat Woelfl ein wichtiges Stück geschrieben? Sagt er etwas Neues? Ist die klinisch gesäuberte Kunstsprache zu plakativ? „Kommunikation der Schweine“ ist kein Lehrstück à la Brecht, keine sozialkritische Milieustudie aus den 70-ern à la Kroetz. Woelfl ist ein Minima-list, er hat ein Hörstück geschrieben, mit Figuren als Sprechpuppen, die von Anfang an festgelegt sind, und die sich in keine Richtung entwickeln.

Das kann man als langweilig empfinden, man kann aber auch in den Alltagsfloskeln der beiden, mit denen sie sich ununterbrochen ihre wunderbare Zweisamkeit bestätigen, etwas erschreckend Bekanntes wiederfinden: Das Elend eines ausgedünnten Sprechens, in dem die Worte niemanden und nichts mehr retten Hans Happel

Robert Woelfl, „Kommunikation der Schweine“ Stadttheater Bremerhaven, Kleines Haus Vorstellungen am 28. März, 2., 11., 24., 26. April

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