: Lauschangriff bei Korruption
Hamburger Innenbehörde nutzt bundesweite Korruptionsaffären, um polizeiliche Befugnisse zu erweitern ■ Von Marco Carini
Walter Wellinghausen weiß wie man punktet. Kaum haben die Ausläufer der Kölner Affäre um Müll, Millionen und Mauscheleien auch die Hansestadt erreicht, da setzt sich der Innenbehördenstaatsrat an die Spitze der Aufklärungsbewegung. Gestern kündigte der zweite Mann der Schill-Behörde an, als Konsequenz aus der Schmiergeldaffäre den Kampf gegen Korruption in der Verwaltung zu verschärfen. Der Müll-Skandal bietet dabei die einmalige Gelegenheit, Polizeibefugnisse auszubauen. Gemeinsam mit Bremen und Hessen will sich Hamburg dafür einsetzen, den Großen Lauschangriff in Zukunft auch auf Korruptionsermittlungen auszuweiten: Telefonleitungen sollen dann angezapft werden können. Zudem will Wellinghausen das Dezernat Interne Ermittlungen um vier Beamte verstärken. Sie sollen alle größeren städtischen Investitionen auf verdächtige Vorgänge hin durchleuchten.
Zudem will die Innenbehörde gemeinsam mit der Handelskammer eine Anlaufstelle schaffen, bei der Verdachtsfälle auf Bestechung und Vorteilsnahme anonym gemeldet werden können. Ein weiterer Punkt des Wellinghausenschen Maßnahmenbündels: Die mit Beschaffung und Vergabe befassten Beamten und ihre Vorgesetzen müssen in Zukunnft in kürzeren Abständen versetzt werden.
Inzwischen zieht die bundesweite Müllaffäre, in deren Mittelpunkt der Hamburger Müllanlagenplaner Hans Reimer steht, auch in Hamburg immer weitere Kreise. Reimers Planungsbüro „GRP“ plante die 1999 fertiggestellte Müllverbrennungsanlage am Rugenberger Damm und konzipierte auch die Anforderungskataloge für die meisten Ausschreibungsverfahren. Zum Zug kamen schließlich fast alle Anlagenbauer, die im Fokus der bundesweiten Korruptionsermittlungen stehen: Der Mannheimer ABB-Konzern, die Gummersbacher Firma „L & C Steinmüller“ und die Schweizer Unternehmen Ecoling und Austrian Energy. Die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) aber bestreiten, dass die Auftragsvergaben von Hans Reimer persönlich beeinflusst worden seien.
Während des gestrigen Prozesstages im Steuerstrafverfahren gegen Reimer behauptete desssen Anwalt Johann Schwenn, Reimer habe ihm zugeschriebene „Zuflüsse“ nie erhalten und infolgedessen davon auch keine Politiker „beatmet“. Zum Teil hätten Anlagenbauer ihm Millionenzuwendungen untergeschoben, um die wahren Empfänger zu verschleiern. Reimer soll von Müllanlagenbauern Millionen für die erfolgreiche Auftrags-Vermittlung kassiert und nicht versteuert haben.
Ein gestern vernommener Zeugen konnte zur Aufklärung wenig beitragen. Ein Ex-Geschäftsführer des Stuttgarter Kesselbauers „EVT“ erklärte, „nützliche Abgaben“– also Schmiergelder – seien nur bei Auslandsaufträgen „üblich gewesen“. Die Verteidigung wertete diese Aussage als „entlastend“ für ihren Mandanten. Der Prozeß wird morgen fortgesetzt.
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