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Die Islamabader Erwiderung

Offener Protest gegen einen offenen Brief. Kommt doch her, ihr Neustädter!

Der Dialog sollte am besten hier bei uns in Islamabad in der Aula der Polizeischule stattfinden

Hiermit sprechen wir unseren energischen Protest gegen den „Neustädter Appell“ aus (taz vom 12. 3. 2002), in dem wir und Millionen andere Gläubige aufs infamste beleidigt wurden.

Was wissen die UnterzeichnerInnen des Appells schon groß vom Hindukusch, vom Islam, von den Freiheitskämpfen der Korsen und der Basken oder von der Wahrheit des Propheten Mohammed? Nichts! Aber die Lügen werden im Angesicht der Sonne zerschmelzen wie die Kadaver der Ungläubigen im Feuer des Pfuhls, der auf sie wartet.

Es ist auch erwiesenermaßen unwahr, dass der Islam nicht tolerant ist. Ein beredtes Zeugnis für unsere historisch verbürgte Liberalität hat uns zuletzt Herr Prof. Hans Küng aus Tübingen bei einem Internet-Chat ausgestellt, und wer etwas anderes behauptet, wird sich als gebrandmarkter Lügner dereinst der verdienten Höllenstrafe ausgesetzt sehen, vom Abreißen der Eier und der Haut über das Gegerbtwerden bei lebendigem Leibe bis zum Abgeschrecktwerden in Eiswasser gemäß den Anregungen des Propheten Mohammed.

Interessiert wären wir an einem lockeren Bürgergespräch mit den UnterzeichnerInnen des so genannten „Neustädter Appells“. Es sollte auf neutralem Boden stattfinden, am besten hier bei uns in Islamabad in der Aula der Polizeischule. Eine namhafte Spende der pakistanischen Vereinigung der „Freunde des Propheten e. V.“ hat uns in die Lage versetzt, für die Reisekosten und alle anfallenden Spesen aufzukommen und den UnterzeichnerInnen des „Appells“ darüber hinaus ein Garantiehonorar von umgerechnet jeweils 40 Euro zzgl. MwSt. anzubieten, zahlbar nach der Heimreise. Versprechen können wir den Kandidaten neben einer spannenden Gesprächsatmosphäre eine Erfahrung fürs Leben, auch und gerade im Kontakt mit einer Kultur, die ihnen jetzt noch fremd zu sein scheint.

Über Zusagen zu einem frühestmöglichen Termin würden wir uns sehr freuen. Voneinander lernen, aufeinander zugehen, miteinander sprechen – wie könnte man das besser als im direkten persönlichen Umgang?

Sollten sich dem Tross auch Frauen anschließen, bitten wir darum, dass sie sich gemäß den Richtlinien unserer Leitkultur kleiden. Beiliegend übersenden wir Ihnen gratis dreißig Knäuel schwarzer Hartwolle aus den Haaren jungfräulicher Schafe sowie Schnittmusterbögen aus unseren Modebroschüren Ganz in Schwarz, Schwarz, schwarz, schwarz sind alle meine Kleider, Schwarz aktuell, Schwärzer als Schwarz, Schwarz 2000, Woman in Black, Old Miss und Altweibersommer. Wie man uns aus höheren Justizkreisen zugesichert hat, kann es als strafmildernder Umstand betrachtet werden, wenn die eingeladenen Damen sich schon vor dem Antritt der Reise einer Rasur am ganzen Körper unterziehen, da wir Muslime jedes sichtbare weibliche Haar wie einen Dolchstoß ins Herz unserer Märtyrer empfinden. Eine Kommission aus Religionsgelehrten wird die anreisenden Unterzeichnerinnen des „Appells“ gleich am Flughafen untersuchen und gegebenenfalls rasieren, selbstverständlich unter Beachtung der vom Propheten Mohammed gesetzten Grenzen.

Schlussendlich möchten auch wir Vorurteile überwinden, Grenzen überschreiten und ein unverfälschtes Bild vom Zustand der Sittenverwilderung im Okzident gewinnen. Dankbar wären wir Ihnen deshalb, wenn Sie uns möglichst viele Belegexemplare folgender Journale mitbringen könnten: Playboy, Lui, Happy Weekend und Juckreiz intim, ein vielfach indiziertes Underground-Periodikum aus Frankfurt-Bornheim, herausgegeben von einem gewissen Heribert oder Hans-Heribert Lentz oder Lenz. Uns interessiert da schlechthin alles, was zur Völkerverständigung beiträgt. Willkommen wären auch Videofilme, die sich mit dieser Problematik beschäftigen. Erst kürzlich ist der große Gelehrte Abn-Igwurd Saud ben-Alahim aus Kairo von einem unserer Kalifen auf den Lehrstuhl für Vergleichende Gender-Forschung berufen worden, und nun fordern die wissenschaftlichen Assistenten natürlich dauernd neues Material an, insbesondere Kopien der westlichen Kulturfilme „Orgasmus total“ und „Die Sahneschluckerinnen von Buxtehude“. Im interkulturellen Austausch hätten wir dafür eine ganze Palette von Kassetten mit Liedern hiesiger Volkssänger anzubieten. Eine Hand wäscht die andere.

Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit und erhoffen uns einen ersprießlichen und unvoreingenommenen Dialog mit den Neustädter Teufelsanbetern.

Übersetzung: Gerhard Henschel. Unterzeichner: Abdul Rüberun, Religionslehrer, Islamabad; Ussama Bin Laden, Prediger, zzt. ohne festen Wohnsitz; Hans Küng, Weltethiker, Tübingen; Ludwig Lang, Dialogpartner, Regenstauf; Yussuf Racho, Scharfrichter, Islamabad

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