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Balkanspezialitäten machen die Runde

■ Im Westwerk wird am Sonnabend ein Jugo-Filmklassiker in Echtzeit synchronisiert, das „Sandy Lopicic Orkestar“ folkloriert am Montag Stile brechend in der Fabrik

Lange bevor Emir Kusturica mit seinem Bild des wilden Balkan berühmt werden sollte, führte der jugoslawische Film mit seinen Eigenartigkeiten und seinem verschrobenen Personal eine Existenz als ewiger Geheimtipp. Das änderte sich mit der „schwarzen Welle“: Die zweite Regie-Generation nach dem zweiten Weltkrieg kombinierte die französische „Nouvelle Vague“ mit Schnaps – heraus kam ein bitterböses Bild des humanistischen Sozialismus, wie er Jugoslawien zugeordnet wurde. Der Film Vater auf Dienstreise gewann die goldene Palme in Cannes, der 1981 gedrehte Streifen Ko to tamo peva? von Slobodan Sijan den Spezialpreis der Jury in Montreal.

Diesen Film präsentiert eine Gruppe Kulturaktivisten mit dem Namen Autoput jetzt im Westwerk. Wer singt denn da? erzählt die Geschichte einer Autobusfahrt nach Belgrad. Obwohl die wild zusammengewürfelten Reisenden nur 100 Kilometer bis zur Hauptstadt zurückzulegen bräuchten, dauert ihre Odysee einen ganzen Tag. Sie werden von der Armee aufgehalten, landen in einem Flussbett und erreichen schließlich Belgrad zu Beginn der deutschen Bombardierung. Während der Fahrt steigen Leute ein und aus, transportieren ihre Hühner zwei Stationen weit, oder wollen – wie das frisch verlobte Paar – nach Belgrad, um zu heiraten. Ein Opa transportiert sein mühsam Erspartes, um es seinem Sohn in die Kaserne zu bringen. Ein Hobby-Operntenor hat ein Vorsingen und wärmt sich im Bus schon mal auf.

Autoput, benannt nach der mörderischen Autobahn, die durch Ex-Jugoslawien führt, präsentiert den Film im Original und synchronisiert ihn live. Während die serbische Pampa an einem vorüberzieht, wird Papa Aleksas hausgemachter Slivovica gekippt, und Balkanspezialitäten machen die Runde. Danach pumpt die wohlbekannte Slavendisco Rhythmus in die betrunkenen Glieder.

Wer nach diesem Wahnsinn noch nicht genug hat, kann am Montag in der Fabrik zu der Musik des Sandy Lopicic Orchestar abgehen. Die Musiker aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawien studieren Musik in Graz und sind Stilbrecher ihres Genres. Vor einem Jahr waren die „Hau-Ruck-Balkan-Folkloris-ten“ mit ihrem Mix aus Jazz, Rock und Uftata-Märschen am Thalia Theater zu Gast. Im Gegensatz zu Kusturicas berühmt gewordenem Musikanten Goran Bregovic, der unverfroren Traditionals als eigene Kompositionen ausgab, legt das Lopicic Orkestar seine Quellen offen oder spielt tatsächlich eigene Sachen. Dieses Osterfest wird von den Orthodoxen gewürzt. Auf diese Weise wird Serbien niemals sterbien. Nikola Duric

Ko to tamo peva: Sonnabend, 20.30 Uhr, Westwerk (Admiralitätstr. 74); Sandy Lopicic Orchestar: Montag, 1.4., Fabrik

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