: Mordsache Laurent Kabila
116 Menschen sind im Kongo wegen der Ermordung des ehemaligen Präsidenten im Januar 2001 angeklagt. Soldaten aus Simbabwe bewachen das Militärtribunal
BERLIN taz ■ Einen größeren Schauprozess hat Kinshasa noch nicht erlebt. 116 Angeklagte, denen theoretisch allen die Todesstrafe droht, stehen ab morgen wieder vor einem Militärtribunal im Zentralgefängnis der kongolesischen Hauptstadt, wo sie sich wegen der Ermordung des Präsidenten Laurent-Désiré Kabila am 16. Januar 2001 verantworten müssen. Der am 15. März begonnene Prozess war am 19. März vertagt worden, um den Verteidigern Zeit zum Studium der Anklage zu geben.
Zu den Angeklagten gehören einige der engsten Vertrauten Laurent Kabilas, an erster Stelle sein früherer persönlicher Stabschef Eddy Kapend und der Stadtkommandant von Kinshasa, Nawej Yav. Sie sollen nach der offiziellen Version im Januar 2001 die Drahtzieher eines Putschversuchs gegen den damaligen Präsidenten gewesen sein.
Laurent Kabila war am 16. Januar 2001 in seinem Büro in Kinshasa erschossen worden. Nach einer offiziellen Untersuchung des Tathergangs, deren Ergebnisse am 23. Mai veröffentlicht wurden, war der Mörder ein junger Leibwächter namens Rachidi, der als Teil eines „Putschkomplotts“ mit Beteiligung „ausländischer Mächte und Geheimdienste“ gehandelt habe. Kabilas Adjutant Eddy Kapend soll Rachidi sofort danach vor Kabilas Bürotor getötet haben. Kapend war es, der noch am gleichen Abend die Armee über Fernsehen zur Ruhe aufrief. Als sich Laurent Kabilas Sohn Joseph Kabila mit Hilfe Simbabwes als neuer Präsident etablierte, wurden die Angola nahe stehenden Generäle Kapend und Yav verhaftet. Kapends Erschießung des mutmaßlichen Mörders wird ihm heute als besonders perfider Versuch der Verschleierung der eigenen Rolle ausgelegt. Yav habe am Mordtag in Vorbereitung des Putsches Soldaten in Kinshasa in Alarmbereitschaft versetzt, so die Anklage weiter.
Zu den anderen Angeklagten gehören Mitglieder von Kabilas Präsidialgarde, Geheimdienstler und weitere Militärs und Zivilisten. Viele von ihnen waren in Brazzaville verhaftet worden, der gegenüber von Kinshasa am Kongo-Fluss liegenden Hauptstadt von Kongo-Brazzaville. In diesem Land, das eng mit Angola verbündet ist, soll nach dem Untersuchungsbericht der Putschversuch geplant worden sein. Neben den 116 Angeklagten, die jetzt vor Gericht stehen, sind 20 weitere flüchtig.
Der Prozess ist eine Demonstration der Stärke von Joseph Kabilas wichtigstem Verbündeten Simbabwe. Simbabwische Soldaten bewachen die Angeklagten im Zentralgefängnis von Kinshasa, wo sie alle zusammen seit teils über einem Jahr in einer Großraumzelle sitzen, und sichern auch den Gerichtssaal. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international kommentiert: „Es gibt keine bekannte rechtliche Grundlage dafür, dass Simbabwes Streitkräfte ein kongolesisches Gefängnis solcherart verwalten.“
Nach Angaben der kongolesischen Menschenrechtsgruppe Asadho verweigern die Simbabwer den Angeklagten auch regelmäßig Kontakt mit Anwälten. So bekamen die meisten Angeklagten ihre Verteidiger erst bei der Prozesseröffnung am 15. März zu Gesicht. Der Prozess wurde nach der Verlesung der Anklage vertagt. Bei der morgigen Wiederaufnahme dürften die weitverbreiteten Zweifel an der offiziellen Version des Mordhergangs zur Sprache kommen – wenn die Militärs das dulden.
Als Zeichen dafür, dass seriöse Debatten unerwünscht sind, werten Beobachter den unüblichen Umstand, dass zu dem Verfahren die Öffentlichkeit zugelassen ist. Das 1997 von Kabila eingerichtete zuständige Militärgericht von Kinshasa hält seine Prozesse mit insgesamt über 200 Todesurteilen sonst immer hinter verschlossenen Türen ab. Jetzt ist eher ein Schauprozess zu erwarten, während zugleich in Südafrika der „innerkongolesische Dialog“ zwischen Kabila und seinen kongolesischen Gegnern von Krise zu Krise taumelt.
DOMINIC JOHNSON
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