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Trauer um die liebste Großmutter

Noch bis Freitag können sich die Berliner in das Kondolenzbuch für die mit 101 Jahren verstorbene Queen Mum Elizabeth eintragen. Der Andrang in der Britischen Botschaft ist bislang ausgesucht. Viele Trauernde haben britische Wurzeln

von MARKUS MAXIMILIAN POHL

Dienstag, zwölf Uhr mittags im Foyer der britischen Botschaft in der Wilhelmstraße: zwei Kamerateams, ein Fotograf und ein Kondolenzbuch. Was fehlt, sind die trauernden Berliner.

Seit zehn Uhr morgens können die deutschen Monarchiefreunde hier Königinmutter Elizabeth die letzte Aufwartung machen. In der Mitte des knallbunten Raumes steht ein kleiner Tisch, dem eine schwarze Samtdecke übergeworfen wurde, darauf ein gerahmtes Foto mit Trauerflor: Queen Mum, seelig lächelnd, mit Fächer und gardinenähnlichem Kleid.

In das Kondolenzbuch haben sich bis dahin nur 40, 50 Trauernde eingetragen. Die meisten hinterlassen Namen und Adresse, Widmungen sind selten. Katrin Hippe aus Berlin etwa schreibt Queen Mum: „You looked like my grandmother.“ Dann Aufregung bei den Kameramännern, die verzweifelte Motivsuche hat ein Ende. Nach und nach tröpfeln doch noch Kondolenzbesucher ein. Gerlinde Martini erzählt der ARD: „Mein Vater war Engländer, ich bin ein Besatzungskind.“ Sehr traurig sei sie über den Tod der 101-Jährigen. „Sie war eine Jahrhundertpersönlichkeit, wo gibt’s das noch!“

Unterschrieben hat auch Thomas Schneider, ein dynamischer Mittvierziger mit rotem Einstecktuch. Als „Anstandsgeste“ will er seinen Besuch verstanden wissen. „Die Königin hat sich dem Land geopfert, nicht so wie das korrupte Gesindel, das hier regiert.“ Ist er Monarchist? „Nee, selbstständiger Unternehmer“, kommt es zackig zurück: „Gourmet-Service Schneider, Berlin“.

Viele, die kommen, haben eine persönliche Bindung an das Empire. Der 40-jährige Anthony Phelps ist gebürtiger Brite, auch ein älteres Paar aus Südafrika unterschreibt. „Wir sind schließlich Angehörige des Commonwealth“, sagen sie.

Auf ein „Faible für England“ verweist Irmgard Tetzlaff, deren Frisur offensichtlich Margaret Thatcher entlehnt ist. Queen Mum ist für die 75-Jährige ein Symbol für den Widerstand gegen Nazi-Deutschland.

Vielleicht sorgen die strengen Sicherheitsvorkehrungen dafür, dass nicht mehr Berliner den Weg in die Botschaft finden. Vor dem Gebäude, wo der Union Jack auf Halbmast weht, patrouillieren bewaffnete Polizisten hinter Absperrgittern. Wer in den Kondolenzraum will, muss eine Schleuse passieren und seine Taschen entleeren.

Dennoch keine Enttäuschung bei der Botschaft: „Ich bin sogar überrascht, dass schon so viele gekommen sind“, sagt Sprecherin Christiane Goedelt, wie die meisten Botschaftsangestellten ganz in Schwarz gekleidet. „Es ist ja noch bis Freitag möglich, sich einzutragen.“ Danach werde das Kondolenzbuch in den Kensington Palace geschickt, die ehemalige Residenz von Queen Mum.

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