: Bankrott im Visier
Der Internationale Währungsfonds will Staatsanleihen mit Klauseln versehen, die den Konkursfall regeln sollen
BERLIN taz ■ Letzten November überraschte der Internationale Währungsfonds die Öffentlichkeit mit einem Tabubruch: Es müsse ein Insolvenzrecht für Staaten geben, verlangte die stellvertretende IWF-Direktorin Anne Krueger und hob damit ein Thema auf offizielle Ebene, das bis dahin in der Finanzwelt unerwünscht war. Am sinnvollsten sei dazu ein internationales Schiedsgericht unter Vorsitz des IWF.
Gut zwei Wochen vor der Frühjahrstagung des Fonds nun rudert sie zurück: Ja, es müssten Anreize bestehen, Schulden „beizeiten und ordnungsmäß zu restrukturieren“, wiederholte Krueger zwar vorgestern Abend auf einer Konferenz in Washington. Doch müsse dem IWF nicht die Rolle des Schiedsrichters zukommen. Diese solle bei den privaten Gläubigern liegen. Krueger: „Viele Menschen haben Probleme damit, dass der IWF den Platz am Steuer einnehmen soll.“
Aus Washingtoner Kreisen ist zu hören, dass mit „viele Menschen“ die US-Regierung gemeint ist. Diese bevorzuge eine „marktgesteuerte“ Lösung. Sie sei gegen einen internationalen Gerichtshof, den ein bankrottes Land anrufen könnte, und der dann, wie bei einer Firmenpleite, über den Konkursverlauf entscheiden würde. Stattdessen plädiert die Bush-Administration dafür, Staatsanleihen von vorneherein mit Insolvenzklauseln auszustatten. Diese legen fest, welche Rechte der Gläubiger hat, wenn das Schuldnerland nicht mehr zahlt. Die USA halten 17,5 Prozent der Stimmrechte im IWF und haben damit de facto ein Vetorecht.
Auch Entwicklungsverbände kritisieren den Vorschlag, ein Schiedsgericht unter Vorsitz des IWF einzurichten – allerdings aus einem anderen Grund: Weil er selbst Gläubiger sei, würden die Belange der Schuldnerländer unter den Tisch fallen, fürchtet etwa die Erlassjahrkampagne, die sich für einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer einsetzt. Sie schlägt einen Schiedsrichter vor, den im Insolvenzfall ein jeweils zur Hälfte von Gläubigern und Schuldnern gewähltes Gremium bestimmen soll.
Hintergrund für die Diskussion ist die Argentinien-Krise. Obwohl das Land seit langem de facto pleite war, schoss der Fonds immer wieder neue Kredite zu, „warf gutes Geld schlechtem hinterher“, wie Kritiker ihm vorwerfen. Seit Zeitungen und Fernsehen weltweit bekannt machen, dass die Bilanz von mehr als zehn Jahren IWF-Hilfe in Argentinien aus Arbeitslosigkeit, Auswanderung und Straßenschlachten besteht, muss der Fonds sich für seine Politik rechtfertigen. Auf der Frühjahrstagung wird es auch um Reformvorschläge gehen. Diese reichen von einer Korrektur der IWF-Wirtschaftsprogramme in den Entwicklungsländern bis hin zur Abschaffung des Fonds. KATHARINA KOUFEN
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