Denen zeigen wir‘s

Bayern München wird von Real vorgeführt, gewinnt aber dennoch mit 2:1, weil sich die Madrider zu sehr mit der Demütigung des Gegners befassen

aus München THOMAS BECKER

Halbzeit: Zeit zum Innehalten, das Gesehene Revue passieren lassen, einordnen. Für die Stadionregie eine einfache Aufgabe. Durchgang eins des Champions-League-Viertelfinales zwischen den Branchenführern FC Bayern München und Real Madrid hielt exakt zwei so genannte Höhepunkte bereit: das 1:0 durch einen Trödelschuss von Geremi in Minute elf (Kahn: „Den halt’ ich normalerweise mit der Kappe.“) und eine Halbchance für Elber kurz vor der Pause. Fertig. Ansonsten aus Bayern-Sicht: die große Leere, Pfiffe, Trauer-Fußball der gehemmten Art.

Auf der Pressetribüne hält es einer nicht mehr aus und erbricht sich treppenstufenfüllend – einfach zum Kotzen das Spiel. Eine Stunde später war die Zukunft des FCB mal wieder so rosig, wie es rosiger nicht geht, war der FC Bayern wieder die „beste Mannschaft der Welt“ (Trainer Hitzfeld), hatte sich das bewahrheitet, was Real-Trainer Vincente Del Bosque befürchtet hatte: „Wir hatten vor dem Spiel schon geahnt, was passieren könnte. Und es ist auch eingetreten.“ Das Phänomen FC Bayern: Egal wie schlecht und magensäuretreibend die Mannschaft auch spielen mag, sie ist jederzeit in der Lage zurückzukommen, das Spiel zu drehen. Acht Minuten haben im ausverkauften Olympiastadion gefehlt, und die Partie gegen Real wäre für den Weltpokalsieger das letzte große Spiel dieser Saison gewesen: Pokal ade, Meisterschaft weit weg, und nun 0:1 zu Hause gegen Zidane, Raul & Co. – eine Nullrunde drohte nach dem Zauberjahr 2001.

Gerade noch rechtzeitig wurde dann der Sieger-Automatismus aktiviert, ein Chip, der jedem Bayern-Spieler bei Ankunft an der Säbener Straße implantiert wird und auf dem steht: „Du kannst immer und gegen jeden gewinnen – du musst es nur wollen.“ Zwar wirkt der Chip nicht bei allen so stark wie bei Kahn, Effenberg oder Salihamidzic, aber am Ende ist das Ergebnis immer gleich: Bayern gewinnt. Seit 19 Champions-League-Spielen sind sie ungeschlagen, besiegten Madrid zum sieben Mal in Folge, verhinderten den ersten Sieg eines spanischen Teams im Olympiastadion. Und warum? Weil die Spanier es übertrieben.

Es war eine Szene Mitte der ersten Halbzeit. Unwichtig eigentlich, weil irgendwo draußen an der Seitenlinie, fern vom Strafraum. Mitwirkende: Zidane, Solari, Roberto Carlos, der Ball und ein paar rot gewandete Statisten in Ringelsocken. Sie haben sie tanzen lassen, vor und zurück, wie Flummis jagten die Bayern vergeblich den Tricks der Weißen hinterher, die gar nicht Richtung Tor spielen, sondern nur ihre technische Überlegenheit demonstrieren wollten. Demütigung als Programm. Das war der Fehler. „Die haben uns provoziert mit ihrem Hacke-Spitze-eins-zwei-drei“, sagte Manager Uli Hoeneß nachher, „in der Halbzeit haben wir gesagt: Von denen lassen wir uns nix mehr gefallen.“ Bixente Lizarazu ergänzte: „Wenn du so fies spielst, musst du aufpassen. Da hat einfach der gewisse Respekt gefehlt.“ Will sagen: einen Weltpokalsieger führt man gefälligst nicht so vor. Oli Kahn musste sich sichtlich zusammenreißen, um nicht seine gesamte Verachtung auszudrücken: „Das war eine sehr, sehr starke Arroganz. Das sind Dinge, die merkt man sich halt. Es gibt ja mehrere Spieler, die technisch so stark sind wie Zidane, aber die haben so was eigentlich nicht nötig.“

Madrid glaubte es nötig zu haben, reizte die Roten – und verlor. „Real hat in der zweiten Hälfte gar nicht mehr mitgespielt“, analysierte Hoeneß treffend, geriet mit seiner Wackel-Abwehr unter Druck, fabrizierte nach einem Salihamidzic-Sturz einen Elfmeter (70.), den Effenberg allerdings nicht nutzte. „Oh shit, jetzt wirds ganz schwer“, dachte der eifrige Kapitän da, „aber es war wichtig, darauf Reaktion zu zeigen.“ Was er prompt und höchstselbst tat und Elbers Zuspiel zum 1:1 verwandelte (Minute 82). Dass Pizarro auch noch die Vorarbeit des prima aufgelegten Elbers zum Siegtreffer (88.) nutzte, war nur noch folgerichtig. Fazit Effenberg: „Da sieht man mal wieder, zu was wir fähig sind. Das war das beste Beispiel für das wahre Gesicht des FC Bayern.“ Kein Widerspruch, nirgends.