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Buckeln und Beißen unter Angestellten

■ Persiflage aufs Arbeitsleben: Ingrid Lausunds neues Stück „Bandscheibenvorfall“

Wer kennt sie nicht? Die Vorgesetzten, aus deren Chefzimmer man klein mit Hut herauskommt. Obwohl man sich fest vorgenommen hat, souverän und selbstsicher seine Interessen zu vertreten, wi-ckeln sie einen doch wieder ein. Ingrid Lausund, Hausregisseurin am Schauspielhaus, nimmt in ihrem amüsant-hintersinnigen Stück Bandscheibenvorfall – Ein Abend für Leute mit Haltungsschäden Sprachbilder ernst: Bei der Uraufführung im Malersaal kommen tatsächlich Angestellte mit dem Kopf unterm Arm von der Chefvisite zurück.

In eher biederem Büroambiente – keine Spur von New Economy – warten fünf Angestellte ungeduldig bis zitternd darauf, zum Chef gerufen zu werden. Kaum blinkt und quäkt ein Signal, springen alle von ihren schäbigen, mit Stoff bezogenen Stühlen auf und drängeln zum Treppchen, das in die obere Etage führt. Der Chef bleibt zwar unsichtbar hinter einer gediegenen Holztür verborgen, doch wie die Unterredung verlaufen ist, das ist nicht zu übersehen. Einer trägt nach der Besprechung ein kleines neckisches Hütchen schräg auf dem Kopf (Bernd Moss) – der Chef hat ihn zum Narren gemacht.

Einer anderen steckt ein Messer im Rücken (Anne Weber), sie behauptet aber, das Gespräch sei richtig gut gelaufen. Der Abend strotzt vor solchen drastischen Gags. Lausund verlässt permanent die reale Ebene der Kommunikation. Manchmal ist das absurd-entlarvend und sehr komisch, manchmal aber auch zu sehr ausgereizt und klamaukig. Wie ein Rudel bissiger Hunde stürzen sich die fünf Kollegen als Konkurrenten aufeinander, hecheln mit weit herausgestreckter Zunge, kläffen sich wütend an – bis einer die oberste Stufe zum Chefzimmer erreicht und die anderen devot fiepend zurückbleiben. Zeitebenen überlappen sich, wenn der besonders arrogante Kollege (Christian Kerepeszki), der zuvor noch dem netten Kollegen (Bjarne Mädel) grundlos Ohrfeigen gegeben hat, bei einer Besprechung kein vernünftiges Wort herausbekommt, weil seine im Hintergrund auftretenden Eltern wieder einen kleinen dummen Jungen im viel zu großen Anzug aus ihm machen.

Auch mit der Diskrepanz zwischen Gesagtem und Gedachtem spielt Lausund. Eben grinst die Frau im Anzug (Sarah Masuch) noch freundlich ihren Kollegen an, dann wendet sie den Kopf ab und sagt: „Ich muss kotzen.“ Grins, Kotz, Grins, Arsch. Leider bleibt der doppelbödig angelegte Dialog doch nur banal – sowohl auf der sprachlichen als auch auf der pantomimischen Ebene. Trotzdem: eine über weite Strecken knackige und hintergründige Persiflage des Buckelns und Beißens am Arbeitsplatz. Zum Schluss wird sogar aufgemuckt und sich solidarisiert. „Wir gehen. Ganz weit weg“ beschließen zwei. Um sich kurz darauf mit einem Stück Zucker wieder versöhnen zu lassen. Und zum Schluss singen alle Carol Kings Freundschaftshymne „You've Got a Friend“ auf der Toilette. Bis der Chef wieder bitten lässt.

Karin Liebe

nächste Aufführung: 4. Mai, 20 Uhr, Schauspielhaus Malersaal

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