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Showdown in Rahlstedt

■ Ausgang bleibt weiter offen: Am Donnerstag entscheidet der Aufsichtsrat über die Zukunft der städtischen Beschäftigungsgesellschaft „Hamburger Arbeit“

Hinter den Kulissen glühen die Telefondrähte. Es steht, das wissen alle Protagonisten, Spitz auf Kopf. Im Dulsberger Hotel „AquaSport“ soll am Donnerstag der Aufsichtsrat der größten städtischen Beschäftigungsgesellschaft Hamburger Arbeit (HAB) die Weichen für eine Kehrtwende der Hamburger Arbeitsmarktpolitik stellen.

Darum geht es: Der Senat will die Zuschüsse für die HAB um 5 Millionen Euro absenken. Deshalb sollen die Löhne der knapp 2000 bei der HAB beschäftigten Ex-Langzeitarbeitslosen und Jungerwachsenen drastisch gesenkt werden. Wer bislang 1257 Euro brutto bekam, soll in Zukunft nur noch 1000 Euro erhalten. Zudem sollen alle HAB-Beschäftigen künftig eine mehrmonatige Einstiegsphase durchlaufen, in der sie statt Lohn nur einen Euro „Mehraufwandsentschädigung“ pro Stunde zusätzlich zur Sozialhilfe bekommen.

Darüber hinaus soll das Prinzip der Freiwilligkeit abgeschafft werden, nachdem die HAB nur Langzeitarbeitslose zugewiesen bekommt, die aus eigenem Antrieb bereit sind, dort eine Arbeit anzunehmen. Wer zukünftig einen HAB-Job ablehnt, dem wird Sozialhilfe gestrichen. Passieren die Pläne am Donnerstag den HAB-Aufsichtsrat ist das 19 Jahre alte Beschäftigungsprogramm „Tariflohn statt Sozialhilfe“ beerdigt.

Doch Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram, selbst Aufsichtsratsvorsitzende der HAB, könnte mit ihrem Sparkonzept eine glatte Bruchlandung hinlegen. „Es wird schwierig für die Senatorin“, weiß Wolfgang Rose, Aufsichtsratsmitglied und Hamburger ver.di-Chef. Denn nicht nur die ArbeitnehmerInnen stehen dem HAB-Wirtschaftsplan kritisch gegenüber. Auch Annegrethe Stoltenberg, als Landespastorin der Diakonie auf der Arbeitgeberseite im Aufsichtsrat, lehnt die geplanten Einschnitte ab. „Wie es jetzt aussieht, können wir das nicht mittragen“, so Stoltenberg zur taz.

Gemeinsam mit ver.di will die Diakonie heute eine Erklärung veröffentlichen, in der die Abschaffung der Freiwilligkeit, die Lohnsenkungen und die Mehraufwandsvariante in Bausch und Bogen abgelehnt werden. „Diese drei Punkte sind für mich kein Grund, den Wirtschaftsplan abzulehnen“, geht HAB-Betriebsratschef Helmut Hurtz, ebenfalls im Aufsichtsrat, auf Gegenkurs: „Das sehe ich als unabänderlich an.“ Hurtz hingegen will sein Abstimmungsverhalten davon abhängig machen, inwieweit sieben Änderungsanträge der Arbeitnehmerseite zum Wirtschaftsplan Eingang in die Planungen finden. Da die Sparpläne die HAB-Stammbelegschaft fast ungeschoren lassen, ist diese zu Kompromissen bereit.

Doch nur wenn alle Arbeitnehmervertreter gemeinsam mit Stoltenberg gegen das Sparkonzept stimmen, verliert Schnieber-Jas-tram im Aufsichtsrat die Mehrheit. Entschieden ist noch nichts: Erst in letzter Sekunde, am Mittwochabend, soll auf einer ver.di-Betriebsgruppensitzung der Arbeitnehmer-Kurs für den Aufsichtsrat festgeklopft werden. Marco Carini

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