John befürchtet Sprachgau

Zuwanderungsgesetz: Deutschunterricht für hier lebende Ausländer könnte zugunsten von Neueinwanderern gekürzt werden. Türkischer Bund will Integrationskurse anbieten

Noch ist unklar, ob das neue Zuwanderungsgesetz Anfang 2003 in Kraft treten wird. Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) aber ist gewappnet: „Wir können für mindestens 1.000 Zuwanderer aus der Türkei Integrationskurse anbieten“, sagte gestern TBB-Geschäftsführer Kenan Kolat. Das sich der TBB noch mehr für Zuwanderer, auch für Polen und Araber, engagieren will, sieht die Integrationsbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU) mit Freude. Migrationsorganisationen wie der TBB müssten verstärkt mit einbezogen werden, wenn das Kurskontingent verteilt werde, erklärte John.

In der vorliegenden Fassung des Zuwanderungsgesetzes ist noch keine Stundenzahl für Deutsch- und Integrationskurse festgeschrieben. Alle Beteiligten gehen jedoch davon aus, dass neue Zuwanderer künftig 600 Stunden Deutschunterricht und 30 Stunden gesellschaftliche Orientierung (Sozialkunde) absolvieren müssen, wenn sie eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen wollen. Laut John betrifft das in Berlin rund 3.000 Neuzuwanderer aus der Türkei sowie 1.500 bis 2.000 Immigranten und Flüchtlinge aus anderenLändern.

Obwohl die Teilnahme an den Kursen noch nicht Pflicht ist, bietet der TBB schon länger Integrationskurse nach niederländischem Modell an. Bei den 20-stündigen Seminaren, die auf eine Woche konzentriert sind, werden den Neuzuwanderern deutsche Regeln und Gesetze beigebracht, werden Exkursionen zu Bezirks- oder Arbeitsämtern durchgeführt und Tipps erteilt, auf welchen Beratungsstellen man bei Problemen Hilfe bekommen kann. Wenn 30 Stunden gesellschaftliche Orientierung Pflicht werden, werde der TBB sein Angebot erweitern und modifizieren, kündigte TBB-Sprecherin Eren Ünsal gestern an. Eigentlich sei die Stundenzahl viel zu knapp bemessen. „150 Stunden hätten das Minimum sein müssen“, so Ünsal, um Zuwanderern eine berufliche Orientierung geben zu können. In den Niederlanden sei die berufliche Orientierung eine eigene Unterrichtssäule.

Auch John findet die Stundenzahl „schon sehr knapp“. Trotzdem hält sie das Gesetz für die „beste Integrationsförderung, die es je gab“. Das Problem sei allerdings die Finanzierung, die zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von den Ländern erfolgen soll. Allein für Berlin macht das rund 3,25 Millionen Euro zusätzlich an Kosten, hat der Geschäftsführer des TBB errechnet. Angesichts der leeren Haushaltskasse hat Kolat die große Sorge, dass die Mittel „einfach umgeschichtet“ werden. Sprich, dass der Sprachunterricht für die hier schon länger lebenden Ausländer zugunsten der Neuzuwanderer gestrichen wird. Barbara John teilt diese Befürchtung: „Das wäre die größte anzunehmende Katastrope, ein Deutschlerngau.“

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